Schleswig-Holstein:Jenseits der Waterkant

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Barschel-Affäre, Heide Simonis' Scheitern: Die Skandale in Schleswig-Holstein haben die großen Parteien auf tragische Art geprägt und verwundet. Nun regiert das Mittelmaß. Das wird sich auch nach einer Neuwahl nicht ändern - egal, wer sie gewinnt.

Jens Schneider

Selbst das Ende wird zur Qual. Angesichts des drohenden Untergangs sind die Sozialdemokraten in Kiel nicht mal fähig, ohne peinliche Spielereien den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Sie wissen: Es wird sie geben.

Auf tragische Art verwundet: Die Chefs der großen Parteien in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner (SPD, li.) und Harry Peter Carstensen (CDU). (Foto: Foto: ddp)

Sie wollen sich dennoch der Auflösung des Landtags verweigern, weil ihnen das Verfahren nicht passt. Das sind die Art Mätzchen, mit denen ihr Chef Ralf Stegner sich den Ruf eines intelligenten, aber dem Wähler fernen Taktierers erworben hat.

Nicht besser die CDU: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hat die Entscheidung für Neuwahlen in einer Art forciert, die ihn als Trickser entlarvt. Er will wählen lassen, solange seine Chancen noch gut sind. Dieser Makel wird ihn den ganzen Wahlkampf lang begleiten.

So erscheinen beide Spitzenkandidaten in der Finanzkrise überfordert. Die Aussicht auf Neuwahlen hat nichts Befreiendes für Schleswig-Holstein. Es muss weiter mit einem beklemmenden Gegensatz leben: Es ist durch die Krise besonders bedroht - und hat die dafür am wenigsten geeigneten Politiker.

Das ist nicht nur Pech, sondern liegt auch in der Geschichte des Landes begründet, das zu viele peinliche Spektakel erlebte: von der Barschel-Affäre über den Abgang von Björn Engholm bis zum Scheitern von Heide Simonis in vier Wahlgängen. Die Skandale haben die großen Parteien auf tragische Art geprägt und verwundet.

Eine Art Förden-Mephistopheles

Die CDU ist nach Barschel zu einer Partei der zweitklassigen Grabenkämpfer und Wichtigtuer verkommen. In dieser Partei konnte Carstensen allein durch seine Harmlosigkeit nach oben kommen. Schon lange halten ihn viele im eigenen Lager für überfordert.

Im Frühsommer zeigte ein kurzer Aufstand, wie wenig die Fraktion ihn achtet. Nun offenbart sein Umgang mit den Millionen-Zahlungen an den Chef der HSH-Nordbank sein fehlendes Gespür für die Stimmungen im Volk und in der eigenen Partei.

Die SPD hat durch das Fiasko von Simonis nicht nur die Führung der Regierung verloren. Sie büßte ihren Zusammenhalt ein. Den besonnenen Kräften fehlt der Wille und die Gabe, die Partei zu führen. In die Lücke stieß der ehrgeizige Stegner.

Es ist falsch, ihn als eine Art Förden-Mephistopheles für das Desaster allein verantwortlich zu machen. Vielmehr haben sich die Genossen dem gescheiten Aufrührer ausgeliefert, der nie verstanden hat, dass eine Koalition Loyalität braucht, gerade in Krisenzeiten.

Die große Koalition hätte die Chance auf ein Ende der langjährigen Feindschaft von SPD und CDU geboten. In jeder Partei hatte man über die Jahre mehr als genug an der Häme der Gegner gelitten. Es gab zu Beginn sogar Anzeichen der Normalisierung. Danach aber schlug man einander noch tiefere Wunden.

Nun bieten beide keine erfreulichen Alternativen. Das ist der große Unterschied zwischen dem Bund und der Förde: Vor der Bundestagswahl kann man der großen Koalition überdrüssig sein, aber ihre Spitzen je nach Gusto sehr wohl schätzen. In Kiel sieht das nicht so aus.

© SZ vom 20.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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