Schleswig-Holstein:Die Jamaika-Koalition ist auf Kurs

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Im Eiltempo zum Koalitionsvertrag: Die Verhandlungsführer Daniel Günther (CDU) und Monika Heinold (Grüne) bei einer Pause der Koalitionsverhandlungen in Kiel zwischen CDU, FDP und Grünen. (Foto: Carsten Rehder/dpa)
  • Vertreter von CDU, FDP und Grünen in Schleswig-Holstein arbeiten gemeinsame Vorhaben aus, die eine Jamaika-Koalition vorbereiten sollen.
  • Eine große Verhandlungsrunde will die Texte anschließend zu einem Koalitionsvertrag zusammenfügen.
  • Trotz Meinungsverschiedenheiten zwischen Grünen und FDP scheinen die Gespräche einigermaßen reibungslos zu verlaufen.

Von Thomas Hahn, Hamburg/Kiel

Am Montag waren die Türen wieder zu im Kieler Landeshaus von Schleswig-Holstein. Dahinter saßen Vertreter von CDU, FDP und Grünen in den verschiedenen Ressort-Arbeitsgruppen und tüftelten unter Hochdruck an den letzten Formulierungen der gemeinsamen Vorhaben. Bis zum Abend sollten die Texte fertig sein, welche die große Verhandlungsrunde mit den drei Chefunterhändlern Daniel Günther (CDU), Heiner Garg (FDP) und Monika Heinold (Grüne) an diesem Dienstag zu einem großen Koalitionsvertrag zusammenfügen will. Wenn das gelingt, ist ein Werk vollbracht, das aus langjährigen Gegnern Partner macht. Dann haben die Grünen, bis Mai Mitglied einer Linksregierung mit SPD und SSW, mit den bisherigen Oppositionsparteien CDU und FDP ein Bündnis für Schleswig-Hostein geschmiedet, das es auf Landesebene erst einmal vorher gab und von dem keiner so genau weiß, wie lange es Bestand haben kann.

Es sieht so aus, als wäre die Geburt der zweiten Jamaika-Landesregierung nach der von 2009 im Saarland einigermaßen reibungslos verlaufen. Der 13. Juni war von Anfang an als Vollzugstermin festgesetzt, damit die Grünen genügend Zeit haben, ihre Basis in einem Online-Verfahren über den ausgehandelten Vertrag abstimmen zu lassen, ehe Daniel Günther am 28. Juni zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Von Anfang an war klar, dass dieser Zeitplan ziemlich optimistisch war. Wenn das Trio an diesem Dienstag tatsächlich den Abschluss des Gesprächsmarathons verkündet, hätten CDU, FDP und Grüne im Eiltempo Widersprüche vereint, die mancher vor Kurzem noch für unvereinbar hielt. Ihnen wären ein echter Triumph des politischen Willens über parteiideologische Kleingeisterei und ein paar sehenswerte Kompromisse gelungen.

"Wir haben gelernt, dass man entspannter miteinander umgehen muss", sagt Heiner Garg

Zum Beispiel in der Haushaltspolitik. Eine hohe Grunderwerbssteuer trug zu den ausgeglichenen Haushalten bei, welche die alte und wohl auch neue Finanzministerin Monika Heinold in der vergangenen Legislaturperiode vorlegen konnte. Die CDU wollte diese Steuer senken. Ergebnis der Koalitionsverhandlungen: Die Grunderwerbssteuer bleibt hoch, aber es gibt Freibeträge, zum Beispiel für junge Familien. Finanzieren wollen die Bündnispartner diese Freibeträge, indem sie über eine Bundesratsinitiative Steuerschlupflöcher schließen. Für Jamaika-Befürworter ist das ein Beispiel, an dem sich zeigt, wie aus zwei gegenläufigen Lösungsansätzen eine gute dritte Lösung wachsen kann.

Der straffe Fortgang täuscht allerdings auch ein bisschen über die Querelen hinweg, die den Prozess der Verhandlungen begleiteten. Vergangenen Donnerstag gönnten sich die Parteien sogar mal einen Tag Pause voneinander. Ein Streit zwischen FDP und Grünen störte die arbeitsame Harmonie im Landeshaus. Die Grünen wollten den Vertragsentwurf aus der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Verkehr überarbeiten, weil der Text für sie zu sehr nach neoliberaler Erneuerung klang. "Es kann keinen Koalitionsvertrag geben, in dem wir drittes Rad am Wagen sind und die FDP voll ihr Parteiprogramm durchsetzt", sagte Monika Heinold. Die FDP war sauer, von Vertrauensbruch war die Rede. Vor allem Bernd Buchholz, Kandidat für den Posten des Wirtschaftsministers, und der Fraktionschef Wolfgang Kubicki sollen sehr aufgeregt gewesen sein. So sehr, dass auch ihr gemäßigter Verhandlungsführer, der mögliche Sozialminister Heiner Garg, den Zorn nicht so leicht einfangen konnte. Kubicki erklärte später: "Die Wahrscheinlichkeit, dass Jamaika zustande kommt, liegt bei nicht mehr als 20 Prozent."

"Von der Sache her ist es eigentlich nicht so dramatisch, wie es rüberkommt", sagte der Möllner Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz für die Grünen. Die nachträglichen Korrekturen am Arbeitsgruppen-Papier fanden sie selbst nicht ideal. Und am Freitagabend saßen dann alle wieder vereint bei der Pressekonferenz. Der Text sei sprachlich geglättet, Missverständnisse ausgeräumt. Heiner Garg sagte: "Wir haben gelernt, dass man entspannter miteinander umgehen muss." Monika Heinold sprach von einer "guten Balance" zwischen Investitionen in Straße, Schiene, Radwege, Elektromobilität. Und Günther, der zum Frieden zwischen Liberalen und Grünen mit präsidialem Gleichmut beigetragen hatte, verteilte lächelnd seinen Tadel auf beide Parteien. Das überarbeitete Papier lobte er sehr: "Die Verbindung von Ökonomie und Ökologie zu formulieren, ist uns ausgesprochen gut gelungen."

Aber das kurze Gewitter hat den Beteiligten auch gezeigt, wie verletzlich dieses Jamaika-Bündnis der verschiedenen Temperamente ist. Das kann ein Problem werden, wenn die Regierung auf unvorhergesehene Herausforderungen trifft. Gut möglich, dass die Kieler Jamaika-Koalition zustande kommt und ein Beispiel gibt für den Bund. Ob sie eine ganze Legislatur-Periode hält, ist eine ganz andere Frage.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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