Saudi-Arabien:Symbolfigur für Redefreiheit

Lesezeit: 2 min

Protest vor der saudischen Botschaft in London: Badawi drohen schon diese Woche wieder schwere Prügel. (Foto: Facundo Arrizabalaga/dpa)

Der inhaftierte saudische Blogger Badawi erhält den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.

Von Daniel Brössler und Paul-Anton Krüger, Brüssel/Kairo

Im Parlament erheben sich die Abgeordneten, als Präsident Martin Schulz die Entscheidung verkündet: Der inhaftierte saudische Blogger Raif Badawi erhält den Sacharow-Preis des EU-Parlaments "für die geistige Freiheit". Ein "außergewöhnlich mutiger und vorbildlicher Mann" sei Badawi, sagt Schulz, und in seinem Land mit der "grausamsten Strafe belegt". Er fügt hinzu: "Ich fordere hiermit den König von Saudi-Arabien auf, Badawi unverzüglich zu begnadigen."

Erst in der Nacht zum Mittwoch hatte Badawis Frau Ensaf Haidar im Internet einen dringenden Appell veröffentlicht. Sie habe aus zuverlässiger Quelle erfahren, dass die Behörden in Saudi-Arabien die Genehmigung erteilt hätten, die Prügelstrafe gegen ihren Mann wieder zu vollstrecken. Er solle womöglich bereits an diesem Freitag wieder geschlagen werden, diesmal jedoch im Gefängnis und nicht öffentlich. Die Information stamme von derselben Quelle, die sie Anfang Januar vor den bevorstehenden Stockschlägen für ihren Mannes gewarnt habe. Er war damals tatsächlich am 9. Januar vor der Freitagsmoschee in Dschidda 50-mal auf Rücken und Beine geprügelt worden, wie Augenzeugen berichteten. Ärzte empfahlen danach, die Vollstreckung der Strafe auszusetzen.

Badawi war im Mai 2014 von einem Strafgericht in Dschidda zu zehn Jahren Haft, 1000 Stockschlägen und einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 200 000 Euro verurteilt worden. Nach Verbüßung seiner Strafe darf er weitere zehn Jahre nicht ins Ausland reisen, für den selben Zeitraum erließen die Richter zudem ein Publikationsverbot gegen Badawi. Sein Vergehen: Er hatte 2008 die Online-Plattform "Saudi-Arabische Liberale" gegründet, die ein Forum für Diskussionen über politische und soziale Themen bieten sollte. Die Richter befanden ihn für schuldig, gegen mehrere Regelungen des extrem restriktiven Gesetzes zur Informationstechnologie verstoßen zu haben. Wegen eines Artikels, der sich angeblich über die Religionspolizei lustig machte, wurde er zudem wegen Beleidigung des Islam für schuldig befunden, nicht jedoch wie von der Anklage gefordert wegen Abfalls vom Glauben. Das hätte die Todesstrafe nach sich gezogen.

Badawis Frau Ensaf Haidar, die sich derzeit in Kanada aufhält, sagte der Süddeutschen Zeitung am Telefon, sie habe nicht damit gerechnet, dass das Europäische Parlament ihren Mann auszeichnen werde, aber sie glaube fest an ihren Mann und dass er diesen Preis verdient habe: "Die Verleihung des Preises bedeutet uns beiden viel", fügte sie hinzu. Sie hoffe, dass er "ein Zeichen ist, das dazu beiträgt, dass mein Mann bald freigelassen wird". Sie habe keine neuen Informationen zum Schicksal ihres Mannes und die drohende Vollstreckung der Prügelstrafe. Der Prozess in Saudi-Arabien laufe im Geheimen. Zudem habe sie die Information erst am Mittwoch erhalten, der letzte Kontakt zu ihrem Mann liege aber schon sechs Tage zurück. Bei ihren kurzen Telefonaten erzähle er nicht viel über sich, aber sie könne trotzdem spüren, dass es ihm gesundheitlich und psychisch nicht gut gehe. Sie wisse nicht, ob er darüber informiert wurde, dass die Prügelstrafe wieder an ihm vollstreckt werden soll. Aber auch wenn er im Gefängnis und nicht mehr öffentlich geschlagen werde, erfahre sie davon. Sie danke allen Menschen die ihr helfen und sich für die Freiheit ihres Mannes einsetzen - insbesondere dem Europäischen Parlament.

Badawi sei eine "weltweite Symbolfigur für die Redefreiheit", sagte die sozialdemokratische Abgeordnete Elena Valenciano nach der Verkündung. "Die Barbarei muss ein Ende haben. Der Preis richtet sich gegen diesen Mord auf Raten", sagte die Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten müssen alle Hebel in Bewegung setzen und den nötigen Druck auf die saudische Regierung ausüben.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: