Saudi-Arabien:Siemens-Chef reist nicht nach Riad

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Wegen der Mord-Affäre Kashoggi sagt Joe Kaeser wie andere Wirtschaftsbosse seine Teilnahme an einem Investoren-Treffen ab. Erst müsse der Fall des in Istanbul Verschwundenen geklärt werden.

Von Thomas Fromm und Daniel Brössler, München, Berlin

Hätte gern den saudischen Kronprinzen direkt auf den Fall Kashoggi angesprochen: Siemens-Chef Joe Kaeser. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Eigentlich wollte Joe Kaeser trotz allem nach Saudi-Arabien reisen. Trotz des mutmaßlichen Mordes an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi, trotz vieler Absagen von Politikern und Kollegen. Am Montagnachmittag schließlich sagte der Siemens-Chef dann seine Teilnahme ab am Treffen von Managern und Investoren, das an diesem Dienstag in Riad beginnt. Der Druck auf ihn war immer größer geworden. Angesichts der Nachrichten über Khashoggi, der gefoltert und anschließend zersägt worden sein soll, sei dies "die sauberste Entscheidung, aber nicht die mutigste". Stattdessen wäre es ehrlich gewesen, die Einladung von Kronprinz Mohammed bin Salman anzunehmen - und das Thema offen anzusprechen. "So barbarisch der Tod von Herrn Khashoggi gewesen sein mag und so wenig glaubhaft die ,Unfallversion' ist - das Verbrechen wurde nicht von den 33 Millionen meist jungen Menschen im Königreich begangen", schreibt Kaeser im sozialen Netzwerk Linkedin. Saudi-Arabien hatte erklärt, Kashoggi sei bei einer "Schlägerei" im Konsulat umgekommen. Mit dieser Erklärung zeigte sich auch US-Präsident Donald Trump, der bisher als enger Verbündeter des saudischen Königshauses auftrat, unzufrieden. Er habe mit dem Kronprinzen gesprochen, sagte Trump am Montagabend in Washington, sei aber "nicht zufrieden gestellt mit dem, was ich gehört habe." Sein Schwiegersohn und Berater Jared Kushner hatte zuvor erklärt, wenn alle Fakten vorlägen, wolle man entscheiden, "was wie glauben wollen, was wir für glaubwürdig halten und was wir nicht für glaubwürdig halten." Türkischen Medien zufolge soll Kashoggi von Killern gefoltert, getötet und zerstückelt worden sein. Ömer Cemlik, Sprecher der türkischen Regierungspartei AKP, nannte am Montag den Tod Khashoggis einen "brutal geplanten" Mord. Details zu Ermittlungen werde er aber nicht bekanntgeben, ehe die Staatsanwaltschaft Stellung genommen habe. Präsident Recep Tayyip Erdoğan will an diesem Dienstag eine ausführliche Erklärung abgeben. Siemens-Chef Kaeser dürfte lange nachgedacht haben, weil das Land für das Münchner Unternehmen ein Milliardenmarkt ist. Großprojekte wie der Bau eines Gaskraftwerks und einer U-Bahn in Riad, heißt es in der Konzernzentrale, würden Tausende Arbeitsplätze vor Ort, aber auch in Deutschland sichern. Tatsächlich dürften die vielen Rückzieher namhafter Kollegen eine Rolle gespielt haben. Er habe "Hunderte, wenn nicht Tausende" Mails und Nachrichten erhalten, in denen er aufgefordert wurde, abzusagen, so Kaeser.

Zumindest ein früherer Siemens-Chef wird wohl dennoch in Riad auftreten: Klaus Kleinfeld, heute persönlicher Berater von Kronprinz Mohammed bin Salman. Kleinfeld soll als Chef des Projekts "Neom" für mehr als 500 Milliarden Dollar eine Megastadt am Roten Meer bauen.

In Berlin bekräftigte am Montag Regierungssprecher Steffen Seibert, dass es während der Untersuchungen zum Fall Khashoggi keine neuen Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter geben könne. Zur Frage, wie mit genehmigten, aber nicht gelieferten Rüstungsexporten umzugehen sei, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministerium, dies werde geprüft.

Der SPD-Vize-Vorsitzende im Bundestag, Rolf Mützenich, äußerte Kritik: "Es ist beschämend, dass erst die Ermordung von Jamal Kashoggi die Bundesregierung, vor allem die Bundeskanzlerin zum Umdenken bei den Ausfuhrgenehmigung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien und bei den Beziehungen zwischen beiden Ländern veranlasst hat." Merkel habe "großen Wirtschaftskontakten den Vorrang" gegeben und die Versöhnung mit Riad beim Besuch des Kronprinzen Ende Mai 2018 in Berlin zur Chefsache erklärt. Im Koalitionsvertrag vereinbarten Union und SPD, keine Rüstungsgüter an Länder zu liefern, die direkt am Jemen-Krieg beteiligt sind.

© SZ vom 23.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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