Bilder der Einigkeit will das saudische Königshaus offenbar von diesem marathonartigen Krisengipfel in Richtung Teheran senden. Kaum eine Kulisse oder ein Zeitpunkt hätten sich besser geeignet, um symbolisch gegen den Erzfeind Iran aufzumarschieren: Es sind die letzten Tage des islamischen Fastenmonats Ramadan, eine Zeit, in der das politische Leben ansonsten still steht. Trotzdem hat der saudische König nach Mekka eingeladen, in die heiligste Stätte des Islam - und zwar offenbar alle, die er kriegen konnte: die Staaten des Golf-Kooperationsrates (GCC), der Arabischen Liga sowie die Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Man müsse über Irans "Aggressionen" sprechen, stand im Programm.
Dem Krisengipfel gingen aufreibende Wochen voraus, der seit Jahren andauernde Grundkonflikt zwischen dem schiitischen Regime in Teheran und dem sunnitischen Königshaus in Riad um die Vormacht im Nahen Osten verschärfte sich zusehends. Riad und seine Verbündeten, vor allem die USA und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), machen Iran verantwortlich für Angriffe in der Region Mitte Mai. Für sie ist es erwiesen, dass Iran hinter den Sabotageakten gegen vier Handelsschiffe vor der emiratischen Küste und Drohnenangriffen auf eine saudische Ölpipeline steckt. Die jemenitische Huthi-Miliz, die den Drohnenangriff für sich reklamierte, gilt ihnen als verlängerter Arm Irans. Unabhängige Experten widersprechen dieser Sicht zwar, doch Washington entsandte einen Flugzeugträger und eine Bomberstaffel in den Nahen Osten.
Vor Beginn des Gipfels beteuerte der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Dschubair, in einem BBC-Interview, Saudi-Arabien wolle keinen Krieg mit Iran. Ziel sei es, die iranische Politik in der Region zu verurteilen. Das eilends einberufene Krisentreffen war somit vor allem ein Aufruf zur Solidarität, dem die Staatschefs nacheinander Folge leisteten: Der jordanische König Abdullah II. genauso wie Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und dessen tunesischer Kollege Béji Caid Essebsi. Schon mit dem Motto "Hand in Hand Richtung Zukunft" wollte Riad Einigkeit suggerieren. Dafür streckte Riad ausnahmsweise die Hand Richtung Katar aus. Zwar folgte nicht der katarische Emir, sondern der Premier, Scheich Abdullah bin Nasser al-Thani, der Einladung zum Gipfel - dennoch ist er damit der höchste Vertreter der katarischen Herrscherfamilie, der Saudi-Arabien seit der Blockade vor zwei Jahren besuchte. Im Juni 2017 hatten Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain und Ägypten die diplomatischen Beziehungen zu Doha abgebrochen. Sie warfen dem reichen Zwergstaat vor alllem Terrorunterstützung vor und zu enge Beziehungen zu Iran.
Al-Thanis Besuch könnte nun als vorsichtige erste Annäherung im Kreise der arabischen Nachbarn verstanden werden. Doch Bilder vom Treffen in Mekka zeigen auch, dass durch die inszenierte Anti-Iran-Front offenbar einige Risse gehen. Der Emir von Kuwait, Scheich Sabah al-Ahmed al-Sabah, versuchte zwar eine Begrüßung zwischen dem saudischen König Salman und Katars Premier herbeizuführen, doch beide reagieren reserviert, so flüchtig war ihr Handschlag, als wollten sie jede Berührung vermeiden. Der Emir von Bahrain schob sich derweil am Emir von Kuwait vorbei, um einer Begrüßung zu entgehen.
Hinter der Einladung an die Kataris könnten auch die USA stecken. Ihre Vermittlungsversuche scheiterten zwar bislang, aber sie wurden nicht müde zu betonen, dass sie auf eine Aufgabe der Blockade bestehen. Die USA wollen ihren Luftwaffenstützpunkt al-Udeid in Katar ausweiten. Erst im vergangenen Januar war US-Außenminister Mike Pompeo in Doha und unterzeichnete ein entsprechendes Abkommen. Da die USA den saudischen Konfrontationskurs gegen Iran entschieden mittragen, setzen sie wenigstens unter den arabischen Golfnachbarn auf Entspannung und Einigkeit.
Iran verurteilt die Abschlusserklärung
Zumindest Einigkeit versuchte Saudi-Arabien mit der gemeinsamen Abschlusserklärung am Donnerstagabend zu demonstrieren. König Salman rief die internationale Gemeinschaft auf, die "zerstörerischen" Aktivitäten Irans zu stoppen. Sie würden die internationale Schifffahrt und die Ölversorgung bedrohen. Auch forderten Riad und seine Verbündeten ein Ende der Einflussnahme Irans auf inner-arabische Angelegenheiten und ein Ende der Finanzierung und Unterstützung von Milizen. Außerdem müsse Iran an einer nuklearen Aufrüstung gehindert werden, hieß es weiter.
Einspruch gegen die Erklärung erhob nur der Irak. Präsident Barham Salih verurteilte zwar "jede feindselige Aktion gegen unsere Brüder", doch sagte er auch, man wolle kein destabilisiertes Nachbarland - immerhin teile man sich mit Iran eine Grenze von 1400 Kilometern Länge und unterhalte enge Beziehungen. Iranische Milizen bilden im Irak wie im Libanon längst Staaten im eigenen Staat. Die Regierung in Teheran reagierte am Freitag und verurteilte die Abschlusserklärung. "Saudi-Arabien hat den heiligen Monat Ramadan und die heilige Stadt Mekka politisch ausgenutzt, um im Namen anderer Länder grundlose Behauptungen gegen Iran in die Welt zu setzen", sagte Außenamtssprecher Abbas Mussawi.
US-Außenminister Mike Pompeo kündigte derweil an, Sicherheitsberater John Bolton werde den UN kommende Woche Beweise vorlegen, dass Iran die Schiffe im Golf angegriffen habe. "Das waren die Bemühungen der Iraner, den Preis für Rohöl weltweit zu erhöhen", sagte Pompeo. Iran bestreitet dies. Entspannung am Persischen Golf ist vorläufig wohl nicht in Sicht.