Außenpolitik:Deutschland bewegt sich auf Saudi-Arabien zu

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Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wird verdächtigt, den Mord an Khashoggi mitzuverantworten. (Foto: dpa)
  • Vor knapp einem Jahr wurde der Journalist Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul erstickt und mit einer Knochensäge zerteilt.
  • Deutschland stoppte daraufhin eine Ausbildungsmission der Bundespolizei in Saudi-Arabien, die nun wieder aufgenommen werden soll. Es ist eine Entscheidung mit Symbolkraft.
  • Vor allem der Rüstungskonzern Airbus und das Innenministerium hatten darauf gedrungen, das Programm wieder aufzunehmen.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke, Berlin

Sechs Journalisten haben am Mittwoch die saudische Botschaft betreten - und alle sechs sind eine Stunde später lebend wieder herausgekommen. Ein knappes Jahr nach der Ermordung von Jamal Khashoggi, des Journalisten der Washington Post, der sieben Minuten, nachdem er das saudische Konsulat in Istanbul betreten hatte, erstickt und später mit einer Knochensäge zerteilt wurde, sind nun saudische Geheimdienstler und Beamte der Terrorbekämpfung nach Berlin gekommen, um mit ihren deutschen Partnern und mit Parlamentariern zu sprechen. Und auch, um in der Botschaft vor Journalisten ihre Deutung der politischen Situation zu verbreiten: Es sei an der Zeit, wieder zur Normalität deutsch-saudischer Zusammenarbeit zurückzukehren.

Nach Khashoggis Ermordung war weltweit protestiert worden, Deutschland hatte eine Ausbildungsmission der Bundespolizei in Saudi-Arabien gestoppt. Vor wenigen Tagen erklärte die Bundesregierung, die Mission werde nun wieder fortgeführt. "Es gehört eindeutig zu unseren Interessen, dass im arabischen Raum Grenzen sicher sind und nicht für Terroristen durchlässig", begründete Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag die Entscheidung und bestätigte damit eine Meldung des Spiegel. Die deutsche Außenpolitik sei von Werten, aber auch von Interessen geleitet. Wann genau die Mission der Bundespolizei wieder startet, kläre man noch.

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Unter den zehn wichtigsten Abnehmern sind zwei am Jemen-Krieg beteiligte Staaten. Besonders viele Panzer kauft momentan ein weiteres Land, das nicht gerade zu den engsten Partnern Deutschlands in der EU gehört.

Schon seit 2009 lief die Ausbildungsunterstützung, damals hatte Saudi-Arabien große technische Anlagen für Passkontrollen und die Überwachung von Grenzregionen bei deutschen Herstellern gekauft - unter der Bedingung, dass die deutschen Fachleute ihre saudischen Kollegen anlernen würden. Zuletzt hatte das Büro der Bundespolizei in Riad drei Mitarbeiter, die saudische Grenzbeamte schulten, bis sie dies im Oktober 2018 aussetzten.

Das Thema Grenzschutz hat für Saudi-Arabien zuletzt stark an Bedeutung gewonnen, vor allem wegen der langen gemeinsamen Grenzen mit dem Irak und Jemen. Zum Irak hin wird seit Jahren ein Zaun gebaut, streckenweise auch eine Mauer, dabei geht es offiziell vor allem darum, die Einwanderung von Dschihadisten nach Saudi-Arabien zu unterbinden sowie auch die Ausreise von saudischen Extremisten. Gleichzeitig wehrt Saudi-Arabien Flüchtlinge ab, das Land besteht auch darauf, dass niemand ein einklagbares Recht auf Zuflucht habe, die Genfer Flüchtlingskonventionen hat es nicht ratifiziert. Nur im Rahmen der Arbeitsmigration gibt es eine Chance, zum Beispiel für Syrer: Syrische Arbeitsmigranten, die sich bereits in Saudi-Arabien befanden, durften in gewissem Ausmaß ihre Familienangehörigen nachholen.

Das Waffenmoratorium gilt weiterhin

Formal handelt es sich bei der Ausbildung durch die Bundespolizei um keine militärische Maßnahme. Dennoch hat die jetzige Entscheidung Berlins einige Symbolkraft: Deutschland bewegt sich ein knappes Jahr nach dem Khashoggi-Mord wieder auf Saudi-Arabien zu. Vor allem der Rüstungskonzern Airbus - aber auch das Innenministerium - hatten darauf gedrungen, das Programm wieder aufzunehmen.

Saudi-Arabien gilt manchen in den deutschen Sicherheitsbehörden als wichtiger Partner, dank Hinweisen aus Saudi-Arabien seien in Deutschland schon Terroranschläge verhindert worden, heißt es zum Beispiel zur Begründung. Andere schütteln über das Land eher angewidert den Kopf. Und das nicht erst seit der brutalen Tat im Istanbuler Konsulat, die eine UN-Sonderberichterstatterin als "außergerichtliche Hinrichtung" bezeichnete. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan sorgte persönlich dafür, dass das Berliner Kanzleramt über die grausigen Details der Exekution informiert wurde.

Vor allem in der SPD legt man Wert darauf, dass die Wiederaufnahme der Mission nicht als Ouvertüre für eine neue Entspannung verstanden wird. Das Waffenmoratorium aufgrund des Jemenkrieges und der Ermordung Khashoggis gelte nach wie vor, heißt es. Die Frage einer Verlängerung des Moratoriums steht wieder auf der Tagesordnung, wenn im Herbst der Bundessicherheitsrat zusammentritt. Als wahrscheinlich gilt eine Verlängerung der bisherigen Linie: keine großen Exporte mehr aus Deutschland selbst, aber weiterhin Zulieferungen für europäische Rüstungsprojekte, deren Abnehmer Riad ist.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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