Rechtsextremismus:Deal im Yeboah-Prozess geplatzt

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Samuel Yeboah aus Ghana kam bei dem Brand ums Leben. (Foto: AFP)

Vor über dreißig Jahren brannte in Saarlouis ein Asylbewerberheim, Samuel Kofi Yeboah starb. Der Angeklagte sollte ein umfangreiches Geständnis ablegen, dann könne er mit einer milderen Strafe rechnen, so das Gericht. Doch daraus wird erst einmal nichts.

Von Gianna Niewel, Koblenz

Am Oberlandesgericht Koblenz brauchte der Vorsitzende Richter nur einen Satz: Eine Verständigung sei nicht zustande gekommen. Damit geht der Prozess gegen den mutmaßlichen Neonazi Peter Werner S. weiter wie geplant - zumindest vorerst.

Seit November vergangenen Jahres läuft das Verfahren gegen Peter Werner S.. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, 1991 einen Brand in einer Asylbewerberunterkunft in Saarlouis im Saarland gelegt zu haben. 18 Bewohner konnten sich über die Feuerwehrleiter retten, zwei sprangen aus dem Fenster. Im Dachgeschoss aber war der Ghanaer Samuel Kofi Yeboah gefangen. Als die Feuerwehr ihn fand, war seine Haut zu 90 Prozent verbrannt, wenige Stunden später starb er an seinen Verletzungen. Die Anklage deshalb: mehrfacher versuchter Mord und Mord. Peter Werner S. hat die Tat bestritten.

Mit seinem Angebot hatte das Gericht Bewegung in das Verfahren gebracht. Der mögliche Deal: Wenn der Angeklagte umfassend gesteht, kann er auf eine mildere Strafe hoffen. Bei einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht wäre das eine Mindeststrafe von fünfeinhalb Jahre. Die Bundesanwaltschaft forderte am Dienstag, diese auf sechseinhalb Jahre zu erhöhen. Damit war der Deal vom Tisch. Die Verteidigung kündigte an, über das neue Strafmaß, das neue Angebot sprechen zu wollen.

Kommt es nun also doch noch zu einem Deal? Gesteht der Angeklagte? Und klären sich die bisher ungeklärten Fragen des Prozesses?

Er soll bei einer Grillfeier gesagt haben: "Das war ich, und sie haben mich nie erwischt."

Da saß in den vergangenen Wochen zum Beispiel die Hauptbelastungszeugin Diana K.. Sie hatte den Angeklagten 2006 oder 2007 auf einer Grillfeier getroffen, dort soll er von dem Brandanschlag auf das Asylbewerberheim erzählt haben. Er soll gesagt haben: "Das war ich, und sie haben mich nie erwischt." K. habe den Satz zunächst für "dummes Geschwätz" gehalten. Als sie 2019 einen Artikel über Cold Cases gesehen habe - in dem über Samuel Yeboah berichtet worden sei - , habe sie sich erinnert und sei zur Polizei gegangen. Erst wegen ihrer Anzeige wurden die Ermittlungen 30 Jahre nach der Tat wieder aufgenommen. K. wurde vor Gericht vereidigt.

Da saß der Gastgeber der Grillfeier. Er hat den Angeklagten 2002 im Freigängerhaus kennengelernt und auch nach der Haft Kontakt gehalten, beide waren damals Mitglieder in der Saarlouiser Neonazi-Szene. Der Gastgeber sagte, er habe den Satz "Das war ich, und sie haben mich nie erwischt" auf der Feier nicht gehört. Er könne sich auch nicht erinnern, dass in der Szene über den Brandanschlag gesprochen worden sei. Wie er die Szene beschreiben würde? Sie hätten sich gegenseitig geholfen, "wenn einer provoziert wurde, ist man nicht weggerannt, auch wenn man mal eine Flasche auf den Kopf bekommen hat". Wurde auch füreinander geschwiegen? "Ja."

Damals wurde nur acht Tage lang in der rechten Szene ermittelt

Da saßen Polizeibeamte, die damals an den Tatort kamen, und vor allem auf die Aktenvermerke verwiesen. Ein ehemaliger Beamter der Staatsschutzabteilung sagte, er könne sich kaum noch an die Ermittlungen erinnern, er könne sich nicht einmal daran erinnern, dass er damals Mitglieder der Saarlouiser Neonazi-Szene verhört habe, unter anderem den Angeklagten. Wenn das so im Aktenvermerk steht, "wird es so gewesen sein". Und wenn da steht, dass die Neonazis alles bestritten haben, werde auch das so gewesen sein. Damals wurde nur acht Tage lang in der rechten Szene ermittelt.

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Überhaupt sind in dem Prozess noch viele Fragen offen, unter anderem, wieso es so viele Unterschiede zwischen den damals protokollierten Aussagen einiger Zeugen gab und dem, was sie jetzt vor Gericht aussagten. Ein Bewohner des Asylbewerberheims sagte, kurz bevor das Feuer ausbrach, habe er zwei Personen an seinem Zimmer vorbeihuschen sehen, eine "blonde Frau" und einen Schatten. In den Ermittlungsakten wurde diese Aussage offenbar nicht festgehalten. Ein Feuerwehrmann von damals sagte, er habe im Heim einen zweiten Benzinkanister gefunden. Der fand sich aber weder in den Asservaten, noch hatte jemand anders ihn gesehen.

In der nächsten Woche soll der Prozess fortgesetzt werden.

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