Kiew:Selenskij ernennt neuen Armeechef

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Der neue Chef der ukrainischen Streitkräfte, Generaloberst Oleksandr Syrskyj (links, Archivbild). (Foto: Imago/Ukrainian Presidential Press Off/Iamago/Zuma Wire)

Die ukrainische Regierung hat Oberkommandeur Walerij Saluschnyj entlassen. Hintergrund sind offenbar Differenzen mit Präsident Selenskij. Nachfolger wird Generaloberst Oleksandr Syrskyj.

Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, ist von seinem Posten entbunden worden. Das teilte Präsident Wolodimir Selenskij am Donnerstag in einer Videobotschaft mit. Zum Nachfolger sei Generaloberst Oleksandr Syrskyj ernannt worden. Selenskij schreibt auf der Plattform X, dass die Militärspitze neu organisiert werde. Er habe Saluschnyj für seine Dienste gedankt und über die notwendige Erneuerung der Streitkräfte der Ukraine gesprochen, schreibt der Präsident dort. Er habe den bisherigen Oberbefehlshaber gebeten, Teil des Teams zu bleiben. Welche Aufgabe Saluschnyj übernehmen soll, ist noch unklar.

Saluschnyj war offenbar mit dem ukrainischen Präsidenten wegen militärischer Strategien und anderer Fragen aneinandergeraten. Zudem soll der Schritt eine Konsequenz aus der nicht erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive im vergangenen Jahr sein. Bei dieser war es nicht gelungen, nennenswerte Teile des von Russland gehaltenen Territoriums zurückzuerobern.

Der bisherige Oberkommandeur der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj (M). (Foto: Ukrainian Presidential Press Office/ZUMA Wire/IMAGO)

Immer wieder gab es zuletzt auch Hinweise darauf, dass sich Selenskij und der General über eine neue militärische Mobilisierungsoffensive uneinig waren. Der Präsident soll Saluschnyjs Vorschlag abgelehnt haben, 500 000 neue Soldaten einzuberufen. Saluschnyj hatte am vergangenen Donnerstag eine Kolumne auf der Website des amerikanischen Nachrichtensenders CNN veröffentlicht, in der er schrieb, dass die ukrainische Regierung es versäumt habe, genügend Truppen zu mobilisieren. Westlichen und ukrainischen Medienberichten zufolge lehnte Saluschnyj die Bitte Selenskijs ab, freiwillig zurückzutreten.

Zunehmende Entfremdung zwischen Präsident und Oberkommandeur

Ausschlaggebend für die zunehmende Entfremdung beider Männer ist offenbar auch Saluschnyjs Status als potenzieller politischer Konkurrent. Eine Umfrage aus dem Dezember zeigt, dass 92 Prozent aller Ukrainer Saluschnyj vertrauen. Laut einer anderen Umfrage würde er bei einer hypothetischen Präsidentschaftswahl Selenskij nur knapp unterliegen - und im Parlament mit einer eigenen Partei die mittlerweile durch etliche Skandale diskreditierte Präsidentenpartei "Diener des Volkes" klar schlagen.

Saluschnyj, ein 50 Jahre alter Karriereoffizier, ist seit Juli 2021 der militärische Oberkommandierende aller ukrainischen Streitkräfte. Seitdem war er in strittigen militärischen Fragen mehrmals anderer Meinung als der Präsident, der nomineller Oberkommandierender ist. Einer im Januar erschienenen Selenskij-Biografie des US-Journalisten Simon Shuster zufolge hatte Saluschnyj dem Präsidenten in den Monaten vor Beginn der russischen Großinvasion im Februar 2022 zu einer umfassenden Mobilisierung aller Reservisten und Verstärkung der Grenzen zu Russland geraten. Selenskij, der die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs bis zuletzt öffentlich bestritt, lehnte dies als alarmistisch ab.

Syrskyjs Kampfname: "Schneeleopard"

Saluschnyjs Nachfolger, der 58-jährige Syrskyj, ist nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters seit 2019 Befehlshaber der ukrainischen Landstreitkräfte. Davor hatte er die ukrainischen Truppen befehligt, die in der Region Donezk und Luhansk in der Ostukraine gegen die von Russland unterstützten Aufständischen kämpften. Dort soll er sich den Kampfnamen "Schneeleopard" erworben haben.

Im aktuellen Krieg gegen Russland organisierte Syrskyj die erfolgreiche Verteidigung der Hauptstadt Kiew in den ersten Monaten und wurde im April 2022 zum "Helden der Ukraine" ernannt, der höchsten Ehrung für einen Soldaten. Im Sommer 2022 startete er die Gegenoffensive in der Region Charkiw, bei der die Ukraine die Russen überraschte und große Teile der besetzten Gebiete befreite.

Anfang vergangenen Jahres übernahm Syrskyj die Verteidigung der Stadt Bachmut. Es war bis dahin eine der blutigsten Schlachten, bei der Tausende Soldaten auf beiden Seiten fielen. Der Kritik von Militäranalysten, ob die Verteidigung einer zerbombten Stadt den Tod so vieler Menschen rechtfertigte, setzte Syrskyj entgegen: Der zähe Widerstand habe Russlands Kampfkraft geschwächt und die Söldnertruppe Wagner über lange Zeit gebunden.

Die Moral seiner Truppen soll für den neuen Oberbefehlshaber Priorität haben: Er werde häufig bei Frontbesuchen gesehen, hieß es. In Interviews sagte er, er schlafe jede Nacht nur viereinhalb Stunden und entspanne sich in der Sporthalle.

© SZ/Reuters/dpa/cvei/has - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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