Der ukrainische Erzbischof Jewstratij hat eine jahrhundertelange Unterdrückung seines Landes durch Russland angeprangert. Der aktuelle Angriffskrieg füge sich nahtlos in die imperialistische russische Geschichte zur Unterwerfung der Ukraine ein, sagte Jewstratij am Freitag auf dem Welt-Ökumene-Gipfel in Karlsruhe. Ziel der brutalen Aggression des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei eine "Entukrainisierung" der Ukraine, betonte der orthodoxe Erzbischof von Tschernihiw und Nischyn. Schon die Zaren und die Sowjets hätten versucht, die Identität der Ukrainer auszulöschen. Heute sei die Ukraine erneut das Ziel von "Räubern".
Das Bemühen des Weltkirchenrats, auf dem Gipfel Vertreter aus Russland und der Ukraine zusammenzuführen, ist bislang erfolglos geblieben. "Wir haben keine Kontakte mit ihnen", sagte Erzbischof Jewstratij. Es gebe auch keine Anzeichen, dass die russische Seite einen Dialog wolle.
Seine Delegation sei bereit zu einem Gespräch, sofern sie nicht nur Kreml-Propaganda zu hören bekomme: "Denn es sind Lügen und nur die Rechtfertigung von Kriegsverbrechen." In der russisch-orthodoxen Kirche höre er keinen Widerspruch gegen den Krieg, sagte Jewstratij: "Es ist nicht einfach, einen Dialog mit jemandem zu führen, der ihnen das Recht auf Existenz abspricht."
Ökumene-Gipfel wollte Dialog stiften
Bis Donnerstag tagt die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) - eine Gemeinschaft von rund 350 christlichen Kirchen, die weltweit mehr als 580 Millionen Menschen vertreten. Beim Auftakt am Mittwoch hatte ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca gesagt, man wolle eine Plattform sein, damit Delegierte aus Russland und der Ukraine ins Gespräch kommen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte, der Dialog müsse Unrecht, Opfer und Täter klar benennen und dürfe nicht im Ungefähren und auf fromme Wünsche beschränkt bleiben.
Die Orthodoxe Kirche der Ukraine war 2018 durch die Vereinigung zweier Kirchen entstanden, die sich 1920 und 1992 von der russisch-orthodoxen Kirche getrennt hatten. Sie wird dem Patriarchat von Konstantinopel zugerechnet. Daneben existiert noch die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats, die sich jedoch Ende Mai ebenfalls von der Kirchenleitung in Moskau lossagte.