Wahrscheinlich ist das einfach so, wenn Väter mit ihren erwachsenen Kindern sprechen. Der Vater redet und redet, er gibt sich Mühe. Er nennt Beispiele, zitiert Statistiken, macht ab und zu sogar einen Scherz. Aber die Kinder hängen immer tiefer in ihren Sesseln, starren auf ihre Smartphones und fangen an zu gähnen.
Ein umgebauter Gasspeicher im Zentrum der russischen Hauptstadt. Das Hauptquartier der Jugendbewegung Set ("Das Netz") erinnert an ein Start-up-Unternehmen im Silicon Valley: offene Räume, die Wände farbig gestrichen, zwischen den Arbeitsplätzen ein Tischfußballspiel und der Käfig des Firmenhamsters mit Namen Aljoscha.
Zwei Dutzend junge Leute lungern im Konferenzraum auf farbigen Sitzsäcken, ein Projektor summt, auf der Leinwand spricht Wladimir Putin. Er gibt seine jährliche Bürgersprechstunde im russischen Fernsehen, vier Stunden lang kommen Fragen aus allen Ecken des Landes. Der Präsident antwortet: Zum neuen Weltraumbahnhof, dessen Ingenieure ihren Lohn nicht rechtzeitig bekommen. Zur Situation der Milchbauern. Zur Ukraine. Und zum niedrigen Ölpreis.
Mitglieder der Set-Jugend kommen meist aus der Provinz
Die Leute hier sehen sich als seine Kinder. Zumindest steht das so im "Vater-Manifest" der Organisation. "Wir sind die neue Generation Russlands", sagt Anastasia Melnik. Die Sprecherin der Bewegung ist 26, hat Journalismus studiert, bei den Olympischen Spielen in Sotschi als Freiwillige geholfen und wurde von dort abgeworben. Vor einem Jahr ist sie aus Iwanowo nach Moskau gezogen. Die meisten ihrer Mitstreiter kommen wie sie aus der Provinz. Ilja Igolkow, 21, zum Beispiel stammt aus Irkutsk. Er trägt ein Karo-Hemd, Hornbrille, Turnschuhe und - natürlich - einen Vollbart wie jeder zweite junge Mann hier im Raum.
Als "Putins Hipster" verspotten Kreml-Gegner die Set-Leute. Auf Igolkow zum Beispiel sind die Initiatoren aufmerksam geworden, weil er ein Kartenspiel mit patriotischen Motiven entworfen hat. Gerade organisiert er ein Foto-Projekt: "Wir wollen den Veteranen aus dem Großen Vaterländischen Krieg, die nie eine Jugend hatten, ein Stück Jugend wiedergeben." Sie werden jetzt fotografiert beim Rollerfahren und Computerspielen.
Über vier Stunden herrscht Schweigen im Raum. Es ehrfürchtig zu nennen, wäre wohl übertrieben. Nur ab und zu sehen die jungen Leute von ihren Smartphones auf, einige verdrehen die Augen, wenn wieder ein Arbeiter aus einer Fabrik im Osten vor Aufregung seinen Text vergessen hat.
Die Bewegung Set sei für ihn interessant, weil er hier kreativ sein und große Projekte leiten könne, sagt Ilja Igolkow: "Ja, ich gehöre zu den 86 Prozent, die Putin unterstützen." Die PR-Leute aus dem Kreml machten ihre Arbeit sehr gut, sagt er. Putin sieht frisch aus und ist schlagfertig. "Ob wir Teil der PR sind, kann ich nicht sagen, ich habe jedenfalls noch niemanden aus dem Kreml hier gesehen."