Russische Währung:Warum der Rubel nicht ins Bodenlose stürzt

Lesezeit: 3 Min.

Wechselkurse auf einer Anzeigentafel in Moskau: Wie sie zustande kommen, ist vielen ein Rätsel. (Foto: Vyacheslav Prokofyev/ITAR-TASS/Imago)

Mit Beginn des Ukraine-Kriegs brach der Rubel ein. Nun steht er fast wieder auf Vorkriegsniveau - trotz Sanktionen. Wie kann das sein?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Vielleicht, so hat es der russische Volksmund lange gesagt, sind die einzig verbliebenen ehrlichen Massenmedien die Tafeln für Devisenkurse in den Innenstädten. In roten Ziffern blinken dort die tagesaktuellen Rubelkurse auf kleinen, viereckigen Anzeigetafeln. 82 Rubel und 85 Kopeken muss man aktuell für einen US-Dollar auf den Tisch legen. Allerdings: Wie ehrlich dieser Devisenkurs tatsächlich ist, daran gibt es immer mehr Zweifel.

Eigentlich müsste der Rubelkurs schließlich von einem Kollaps künden: Kurz nach der russischen Invasion der Ukraine setzte der Westen scharfe Sanktionen in Kraft, klemmte zahlreiche Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift ab, fror die Dollar- und Euro-Guthaben der russischen Zentralbank ein. Innerhalb eines Tages krachte die russische Landeswährung vor exakt einem Monat um 30 Prozent in die Tiefe - binnen Stunden. Doch in den vergangenen zwei Wochen hat sich der Kurs der Währung spürbar erholt, beinahe wieder Vorkrisenniveau erreicht. Wie kann das sein?

Eine zentrale Figur im Spiel der Währungen ist Elwira Nabiullina, die Chefin der russischen Zentralbank. Nabiullina ist bekannt für ihre Broschen, mal trägt sie auf Pressekonferenzen eine Welle am Revers, mal Pfeil und Bogen, mal zeigte ihre Brosche die Form einer Regenwolke. Als sie vor einem Monat jedoch ganz in Schwarz kam, war auch dem Letzten klar: Es stand ernst. Seitdem hat die russische Zentralbank unter der Technokratin Nabiullina eine ganze Reihe von Maßnahmen eingeführt, um den Rubel zu stützen. Eine Übersicht.

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Dollarkonten beschränkt

Aktuell dürfen Russen nur noch maximal 10 000 Dollar von Konten in fremden Währungen abheben. Wer mehr will, muss das überschüssige Geld automatisch in Rubel tauschen. So will der Kreml offenbar verhindern, dass sich innerhalb des Landes der Dollar als inoffizielle Leitwährung durchsetzt. Da zumindest laut Angaben der russischen Zentralbank 90 Prozent der Guthaben auf Dollarkonten im Land gar nicht die Marke von 10 000 Dollar überschreiten, dürfte der reale Effekt jedoch überschaubar sein.

Entscheidender dürfte sein, dass russische Banken ihren Bürgern vorerst bis zum 9. September gar keine ausländischen Währungen verkaufen dürfen. So können Russen zwar theoretisch neue Dollarkonten bei den heimischen Banken eröffnen, von ihnen jedoch kein Geld in Dollar abheben.

Zwangsumtausch eingeführt

Wer als russischer Exporteur zum Beispiel Rohstoffe wie Gas oder Öl ins Ausland verkauft, bekommt dafür meistens Dollar oder Euro. So zahlen europäische Käufer ihre langfristigen Gasverträge zum Beispiel zu 60 Prozent in Euro, zu 40 Prozent in Dollar, wie das Schweizer Bankhaus Vontobel schätzt. Nun allerdings hat die russische Zentralbank einen Zwangsumtausch für diese Exporteinnahmen eingeführt: Fließt russischen Unternehmen Geld in Dollar oder Euro aus dem Ausland zu, müssen sie 80 Prozent davon in Rubel tauschen.

Experten der russischen Bank VTB Capital schätzen, dass der Zwangstausch jährlich Einnahmen von umgerechnet rund 650 Milliarden Dollar betreffen könnte. "Diese Vorgabe stützt also den Kurs des Rubel", sagt Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank.

Keine Börsengeschäfte für Ausländer

Bei internationalen Finanzprofis standen russische Aktien lange hoch im Kurs: Gerade die dortigen Rohstoffunternehmen lockten mit üppigen und relativ verlässlichen Dividenden, also turnusmäßigen Gewinnbeteiligungen. Seit Ende Februar sitzen viele ausländische Anleger allerdings mit ihren russischen Aktien fest. "Vor allem internationale Investoren wollen selbst tief gefallene Titel einfach nur loswerden", sagt Russlandexperte Sebastian Kahlfeld von der Fondsgesellschaft DWS. Allein: Sie können nicht.

Die russische Zentralbank hat heimischen Brokerhäusern schlicht verboten, auf Geheiß von Ausländern russische Aktien zu verkaufen. Auch das soll die Währung stabilisieren, denn bekämen Ausländer für ihre verkauften Aktien Rubel in die Hand, würden sie die bei der aktuellen politischen Lage vermutlich sofort in Dollar tauschen. "Das könnte auf einen Schlag für ganz schön viel Druck auf den Rubel sorgen", sagt Commerzbank-Experte Ulrich Leuchtmann.

Denn es geht dabei um große Summen: So hielten ausländische Investoren noch Mitte vergangenen Jahres mehr als 80 Prozent der an der Moskauer Börse frei handelbaren Aktien. Etwa die Hälfte dieser ausländischen Profiinvestoren kamen dabei aus Nordamerika, jeweils etwa 20 Prozent aus der EU und Großbritannien - sie alle dürften ihre russischen Titel schnell loswerden wollen.

Abkopplung der russischen Wirtschaft

Weil sich die russische Wirtschaft auch durch die Sanktionen zunehmend vom Westen abkoppelt, könnten russische Unternehmen bald weniger Produkte im Ausland bestellen. Manche westliche Unternehmen machen kein Geschäft mehr mit russischen Handelspartnern. Da die russischen Unternehmen im eigenen Land meist Rubel einnehmen und ausländische Waren aber in Euro oder Dollar bezahlen, musste dafür in der Vergangenheit immer Rubel in fremde Währungen getauscht werden.

Nun könnte es mit weniger internationalem Handel auch weniger Tauschgeschäft mit ausländischen Währungen geben, was den Rubel tendenziell stützt. Vor allem, wenn künftig die Öl- und Gaseinnahmen nicht mehr in Dollar und Euro ins Land fließen dürfen, sondern in Rubel. "Kurzfristig könnte das für eine massive Rubelnachfrage sorgen", sagt Devisenexperte Leuchtmann.

Auf lange Sicht dürfte sich aber auch der Rubel nicht gegen die gesamtwirtschaftliche Lage im Land stemmen können. Sollten die Exporte russischer Rohstoffe wie Öl und Gas mittelfristig sinken, würde weniger Geld ins Land strömen, das den Rubel stützen kann. Irgendwann, sind sich Experten sicher, dürften auch die Währungskurse diese Lage widerspiegeln. Und damit auch die Schilder an den Wechselstuben wieder die Wahrheit sagen.

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