Kambodscha: Erbe der Roten Khmer:Gedenkstätte mit Pol-Pot-Erlebnispark

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Während das Sondertribunal in Kambodscha ein erstes Urteil gegen einen der Anführer der Roten Khmer gefällt hat, versuchen Geschäftsleute im Norden des Landes, die Hinterlassenschaften der Ultra-Maoisten zu vermarkten.

Evelyn Vogel, Phnom Penh

Das Haus liegt am Rande einer Klippe in den Dangrek-Bergen im Nordwesten Kambodschas, nahe der thailändischen Grenze. Von den Backsteinmauern stehen nur noch ein paar Reste, doch man erkennt, dass es ein großes Haus gewesen sein muss. Ein Teil ist unterkellert - Boden, Decke und Wände aus solidem Beton, ebenso die Räume darüber. Der Bunker.

Der Bunker: Nach der Niederlage der Roten Khmer 1979 waren Pol Pot und seine Führungskader hierher geflüchtet. (Foto: Evelyn Vogel)

In einer Ecke im Innern haben Anhänger einen Schrein mit Opfergaben errichtet. Vom Dach des Bunkers, der von einer Galerie umgeben ist, hat man einen weiten Blick über die etwa 400 Meter tiefer gelegene Ebene. Es war die letzte Zuflucht von "Bruder Nr.1", Pol Pot. Nach der Niederlage der Roten Khmer 1979 waren er und seine Führungskader hierher geflüchtet. Der Bezirk Anlong Veng galt bis 1998 als letzte Hochburg der Ultra-Maoisten.

Pol Pots Haus und andere Relikte der Roten Khmer, darunter auch die Verbrennungsstätte des Diktators, sollen von nun an als Gedenkstätten gelten. So hat es eine Behörde in Phnom Penh in diesem Frühjahr beschlossen. Blaue Schilder, die auf die historische Stätte hinweisen, wurden schon vor Längerem aufgestellt. Doch nicht das Innen-, sondern das Tourismusministerium steht hinter dem Plan.

Und nicht Historiker sind damit betraut, die letzten Spuren der Gewaltherrscher verantwortungsbewusst aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Vermarktungsrechte wurden an einen ausländischen Geschäftsmann verkauft. Der hat angekündigt, ein Kasino zu errichten.

Auch der ehemalige Fotograf des Foltergefängnisses S 21, Nhem En, will mit der Geschichte reich werden. Er plant, bei Anlong Veng ein Museum zu errichten - ein Pol-Pot-Erlebnispark schwebt ihm gar vor. Pläne gibt es schon. Bislang scheiterte die Sache an der Finanzierung. Eine Auktion von Pol-Pot-Devotionalien musste er abbrechen, weil sich keine Interessenten fanden. Jetzt hofft der 50 Jahre alte Vizegouverneur auf einen Investor.

Die Residenz des mittlerweile verstorbenen Militärchefs ist schon vermarktet. Um die künstliche Insel zu betreten, auf der Ta Mok, genannt der "Schlächter", lebte, muss man als Ausländer für ein paar Dollar ein Ticket kaufen. Gebäude, Gefangenenkäfig, und das Wrack eines alten Lastwagens - Pol Pots mobile Radiostation - sind dafür zu besichtigen.

Nirgendwo Erläuterungen

Nirgendwo Erläuterungen, die darauf hinweisen, dass hier jahrelang der Massenmord am kambodschanischen Volk geplant wurde. Die Insel ist beliebt bei den Einheimischen: als Picknickplatz bei Familien und bei Hochzeitspaaren für Fotoshootings. Die Kambodschaner lächeln das Grauen hier genauso weg wie im Tuol-Sleng-Museum, das sich im S21 befindet, oder auf Choeung Ek, dem bekanntesten der Killing Fields.

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Jahrelang haben sich die Überlebenden des Terrorregimes im Verdrängen geübt. Als das Sondertribunal für Kambodscha im Jahr 2006 seine Arbeit aufnahm, fragten noch immer viele Menschen, wozu es gut sein solle, alte Wunden wieder aufzureißen. Mittlerweile hat sich die Einstellung sehr geändert.

Tausende haben die Verhandlung gegen Duch am Fernseher verfolgt, Hunderte sind aus entlegenen Dörfern angereist, um den Prozess mitzuerleben. Das Tribunal, das mit dem Chef-Folterer Kaing Guek Eav Ende Juli den ersten Anführer der Roten Khmer verurteilte, hat viel Aufklärungsarbeit geleistet und die Geschichtsaufarbeitung in Kambodscha vorangebracht - auch wenn es wegen Korruptionsvorwürfen zeitweilig heftig umstritten war.

Dass vor allem die Jüngeren sich bald ernsthafter für die Geschichte Kambodschas interessieren und weniger dafür, wie man möglichst viel Kapital aus ihrer Vermarktung schlägt, darauf hofft das Dokumentationszentrum von Kambodscha, das "DC-CAM" in Phnom Penh. Gerade haben sie 3000 Geschichtslehrer ausgebildet und ein Schulbuch verteilt, das die Geschichte der Roten Khmer erstmals umfassend darstellt.

Der Maler Vann Nath, Überlebender des S21, führt jeden Samstag Schüler und Studenten durch das Museum und versucht so, das Geschichtsbewusstsein der jungen Menschen zu fördern.

Doch das ist nicht einfach in einem Land, in dem das Durchschnittseinkommen pro Jahr weniger als 300 Dollar beträgt und die Täter noch immer als "Brüder" tituliert werden.

© SZ vom 26.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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