Slowenien:Neues Gesicht, neue Hoffnung

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Robert Golob nach der Wahl in Slowenien. Aufgrund einer Covid-Infektion kann er nur per Video zu seinen Anhängern sprechen. (Foto: Jure Makovec/AFP)

Ein Lokalpolitiker hat mit seiner im Januar gegründeten Partei die Parlamentswahl klar gewonnen. In der EU sind viele nun erleichtert, dass Slowenien auf einen proeuropäischen Kurs zurückkehren dürfte.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die wichtigste Nachricht aus Slowenien, die nach der Parlamentswahl vom Sonntag Schlagzeilen machte, war natürlich der selbst für Insider überraschend deutliche Sieg der linksliberalen Freiheitsbewegung (Gibanje Svoboda) unter deren Gründer Robert Golob.

Die Partei ist neu; ihr Chef, Ex-Vorstand des teilstaatlichen slowenischen Energiekonzerns Gen-I, hatte eine bestehende Kleinpartei übernommen, in "Svoboda" umbenannt und erst im Januar an den Start geschickt. Nur dreieinhalb Monate später holte er nun gleich satte 34 Prozent - und damit, in absoluten Zahlen, die meisten Stimmen, die eine Gruppierung im notorisch zersplitterten und kleinteiligen Parteiensystem Sloweniens seit der Unabhängigkeit auf sich vereinigen konnte.

In Umfragen hatte Golobs Neugründung noch Kopf an Kopf mit der rechtspopulistischen Demokratischen Partei (SDS) von Premier Janez Janša gelegen. Die schnitt zwar mit knapp 24 Prozent kaum schlechter ab als in früheren Wahlen, aber angesichts der Stärke des immer noch recht unbekannten Wahlsiegers und neuen Hoffnungsträgers war am Sonntagabend sehr schnell klar, dass es Langzeit-Premier Janša nicht noch einmal ins Amt schaffen würde. Der Vizechef der SDS, Aleš Hojs, kommentierte das Ergebnis im Fernsehen denn auch mit einiger Herablassung. Man müsse dem "relativen Wahlsieger" gratulieren. Offenbar hätten "die Menschen wieder auf ein neues Gesicht gesetzt".

Dass viele Wähler sich nicht nur nach einem neuen Gesicht und einer neuen Partei, sondern auch nach einer neuen politischen Kultur sehnten, die das vergiftete politische Klima befrieden und das Land zurück auf einen proeuropäischen, liberalen Kurs führen kann, zeigte sich auch an der Wahlbeteiligung. Diese lag 13 Prozentpunkte über jener von 2018. Die linke Tageszeitung Dnevnik bezeichnete das am Montag euphorisch als "positivste Nachricht" der Wahl, zeige sie doch, dass "Demokratie, Freiheit, Autonomie und Gerechtigkeit" die Chance bekommen hätten, sich in Slowenien zu rehabilitieren.

Genau so äußerte sich auch Golob selbst: Er hatte vor der Wahl von einem "Referendum über die Demokratie in Slowenien" gesprochen, eine grüne Energiewende und eine nachhaltige Politik versprochen. Nach Bekanntwerden des sensationell guten Ergebnisses für seine Partei äußerte er sich über die sozialen Medien; aufgrund einer Corona-Erkrankung konnte Golob nicht an der Wahlparty in Ljubljana teilnehmen. Die hohe Wahlbeteiligung zeige, sagte er, "dass die Menschen sich tatsächlich Veränderungen wünschen. Sie vertrauen darauf, dass nur wir diese Veränderungen bringen können".

Premier Janša hat sich seinen erfolgreichen Gegner offenbar selbst geschaffen

Sein Vorgänger Janez Janša hat die slowenische Politik fast drei Jahrzehnte lang geprägt. Der frühere kommunistische Jugendfunktionär gründete nach der Unabhängigkeit die erste große Oppositionspartei, war schon drei Mal Ministerpräsident und immer wieder mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, einmal wurde er deshalb verurteilt. Er hatte gehofft, auch dieses Mal, wie schon zuvor, mit einer bunt zusammengewürfelten Koalition von Kleinstparteien letztlich die Regierung übernehmen zu können.

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Der Quereinsteiger Robert Golob hat gute Chancen, den rechtskonservativen Premier Janez Janša am Sonntag auf Platz zwei zu verweisen. Wer eine tragfähige Koalition zustandebringt, ist eine andere Frage.

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Aber nicht nur scheiterten zwei Gruppierungen, die von prominenten Politikern - Ex-Ministerpräsidentin Alenka Bratušek und Ex-Ministerpräsident Marjan Šarec - geführt werden, an der Vier-Prozent-Hürde, sodass die Zahl möglicher Partner sank. Janša schuf sich zudem offenbar mit einer für ihn typischen Aktion auch noch selbst seinen stärksten Gegner: Er soll mit dafür gesorgt haben, dass das Mandat Golobs im Vorstand des zu fünfzig Prozent im Staatsbesitz befindlichen Energiekonzerns Gen-I nicht verlängert wurde. Woraufhin dieser sich entschloss, von seinem Heimatort Nova Gorica auf die große Bühne nach Ljubljana zu wechseln.

In Slowenien hatte es zuletzt wieder und wieder Großdemonstrationen gegen das autoritäre Gebaren Janšas gegeben. Unter ihm wurde die Pressefreiheit eingeschränkt; seine Regierung strich der staatlichen Nachrichtenagentur die Gelder, zerrte kritische Journalisten vor Gericht und begrüßte die Übernahme slowenischer Medien durch ungarische Oligarchen. Seine Nähe zu Viktor Orbán, dessen illiberale Demokratie ihre Entsprechung in Janšas Politik fand, wurde ebenso kritisch gesehen wie seine EU-feindlichen Positionen. Höhepunkt der Spannungen war sicherlich ein Auftritt des Premiers in Brüssel in jener Zeit, als Slowenien 2021 die Ratspräsidentschaft innehatte. Janša düpierte einen Ausschuss des EU-Parlaments mit einem Propagandafilm und Beschimpfungen.

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Robert Golob dürfte nun mutmaßlich eine Koalition mit den Sozialdemokraten bilden, deren Chefin, die erfahrene EU-Parlamentarierin Tanja Fajon, als neue Außenministerin gehandelt wird. Da seine Partei erst vor Kurzem gegründet wurde, fehlen Strukturen und eine Verankerung im Land. Politische Beobachter gehen daher davon aus, dass es Svoboda nicht leicht haben dürfte, die Vorschusslorbeeren, die das gute Wahlergebnis bedeuten, in Politik umzusetzen.

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Im Ausland und in Brüssel war Erleichterung spürbar, dass Slowenien jetzt auf einen proeuropäischen Kurs zurückkehren dürfte. Der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund verwies am Montag auf Twitter darauf, Europa habe anders ausgesehen, bevor innerhalb der vergangenen zwölf Monate die mutmaßlich korrupten Rechtspopulisten Bojko Borissow in Bulgarien, Andrej Babiš in Tschechien und nun Janez Janša in Slowenien abgewählt wurden, und stellte fest: "Mit billigem Anti-EU-Populismus gewinnt man keine Wahlen."

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