Republik Moldau:Angst vor dem Umsturz durch Moskaus Saboteure

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Demonstranten forderten am Sonntag in Chişinău finanzielle Unterstützung wegen der Energiepreise. Die Organisation dahinter will allerdings den Rücktritt der Regierung. (Foto: Veniamin Demidetsky/Imago)

Der Massenprotest gegen die proeuropäische Regierung der Republik Moldau wurde angeblich von Handlangern Russlands organisiert. Präsidentin Maia Sandu denkt nun über ein Ende der Neutralität nach.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Massenproteste vom vergangenen Sonntag gegen die proeuropäische Regierung und Präsidentin Maia Sandu waren nur der jüngste Höhepunkt in einer an Spannungen, Drohungen und Warnungen reichen Zeit für die Republik Moldau.

Tausende, die mit Bussen in die Hauptstadt gekarrt worden waren - vor allem Rentner und Dorfbewohner -, hatten in Chişinău dafür demonstriert, dass der Staat ihre hohen Energierechnungen zur Gänze übernehmen müsse, die in der Folge des russischen Angriffskriegs und der grassierenden Inflation bei den Bürgern aufgelaufen waren.

Eine "Bewegung für das Volk", die unlängst ins Leben gerufen worden war und die den Rücktritt von Sandu und dem erst kürzlich ins Amt gewählten, neuen Ministerpräsidenten Dorin Recean fordert, hatte die Proteste orchestriert. Dahinter soll die Partei des in Israel lebenden Moldauers Ilan Shor stehen, die sechs der 101 Sitze im Parlament hält. Nach Angaben der Regierung und des moldauischen Geheimdienstes bedient sie russische Interessen in der ehemaligen Sowjetrepublik.

Mehrmals haben Marschflugkörper der Russen die Republik Moldau überflogen

Bereits im vergangenen Herbst hatte die Partei des ehemaligen Bürgermeisters von Orhei Demonstrationen gegen die Regierung organisiert, diese strengte damals ein Verbotsverfahren vor dem Verfassungsgericht an, weil Shor die "Interessen einer ausländischen Macht verfolge und die staatliche Souveränität Moldaus" untergrabe.

Shor wird auch vorgeworfen, vor knapp zehn Jahren an einem gigantischen Diebstahl mitgewirkt zu haben, bei dem 900 Millionen Euro aus dem moldauischen Bankensystem verschwanden; er wurde deshalb zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt, setzte sich aber während des Berufungsverfahrens nach Israel ab. Mittlerweile steht Shor auch auf Sanktionslisten der USA. Parallel dazu soll auch der frühere Präsident Igor Dodon - finanziert vom russischen Geheimdienst FSB - für Moskau gearbeitet haben, was er bestreitet.

Die Proteste, auf denen höhere Finanzhilfen für Bürger sowie der Rücktritt der Regierung gefordert werden, dürften derzeit nur eines von vielen Problemen eines Landes sein, das so direkt in den Strudel des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hineingezogen wurde wie kein anderes.

Am vergangenen Dienstag etwa, kurz bevor Präsidentin Maia Sandu zur Münchner Sicherheitskonferenz reiste, war der Luftraum über dem Nachbarland der Ukraine kurzzeitig geschlossen worden - weil ein "unidentifiziertes Objekt" am Himmel gesichtet worden war. In den vergangenen Wochen hatten mehrmals russische Marschflugkörper, die von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer abgeschossen worden waren, den Luftraum des kleinen Landes überflogen; Chişinău protestierte vergeblich in Moskau.

Große Sorgen machen Sandu und ihrem Team auch Informationen, die der ukrainische Geheimdienst abgefangen hat: Demnach soll Moskau planen, als Demonstranten getarnte Saboteure und Aufwiegler ins Land zu schicken sowie Attacken auf staatliche Einrichtungen zu orchestrieren und Geiseln zu nehmen. Das Ziel: ein Umsturz und der Austausch der proeuropäischen Regierung gegen ein moskaufreundliches Regime.

Sergej Lawrow droht, Moldau könnte das Schicksal der Ukraine teilen

Moldau sehe sich hybriden Attacken gegenüber, sagte dazu der neue Ministerpräsident Recean, der bis zu seiner Wahl durch das Parlament Mitte Februar Sicherheitsberater der Präsidentin gewesen war. Erst jüngst hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow gedroht, Moldau könnte demnächst das Schicksal der Ukraine teilen: In einem Interview mit einem russischen TV-Sender hatte Lawrow gesagt, Sandu verfolge eine explizit antirussische Agenda.

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Um Interventionen zu verhindern, war am Donnerstag auch ein Fußballspiel zwischen dem Klub FC Sheriff aus der Separatistenregion Transnistrien und dem Verein FK Partizan aus Belgrad in einem leeren Stadion abgehalten worden. Die Behörden fürchteten die Anreise als Fans getarnter, serbischer Saboteure, die im Zuge der jüngsten Massenproteste für die russischen Umsturzpläne eingesetzt werden könnten.

Sandu dachte aufgrund der jüngsten Entwicklung daher in München laut über ein Ende der Neutralität nach. Wenn man sehe, was Russland der Ukraine antue, könne Neutralität ihr Land nicht retten und verteidigen. Das sei nur möglich, wenn andere Staaten die Souveränität der Republik Moldau achteten. Nicht zuletzt Moskaus Propaganda sei schuld daran, dass die Zustimmung für eine weitere Annäherung an die EU derzeit zurückgehe.

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