Rekordausschläge an der Börse:Der Dax in Zeiten der Panik

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Ein solch turbulenten Tag hat der Dax in seiner Geschichte kaum jemals erlebt: Am Morgen ging es innerhalb einer Stunde um neun Prozent nach unten, dann wieder um fast zehn Prozent nach oben, am Ende schloss der deutsche Leitindex ganz leicht im Minus. Die Händler haben kein Vertrauen mehr in die Politik, die schlechten Nachrichten nehmen kein Ende und die Aussagen des Zentralbankchefs sorgen zusätzlich für Verunsicherung.

Martin Hesse und Peter Blechschmidt

Die Angst vor einer Eskalation der Schuldenkrise und einer neuen Rezession hat an der Deutschen Börse zu einer der spektakulärsten Kursbewegungen der Geschichte geführt. Der Leitindex Dax hatte sich am Morgen zunächst etwas von den Verlusten der Vortage erholt, stürzte dann aber binnen einer Stunde um fast neun Prozent auf 5503 Punkte ab. Im Laufe des Tages stieg der Index um mehr als zehn Prozent an. Zum Handelsschluss lag er mit einem Minus von 0,1 Prozent bei 5917 Punkten.

Der deutsche Leitindex Dax: Neun Prozent Minus innerhalb einer Stunde. (Foto: REUTERS)

Händler sprachen von einem Vertrauensverlust in Politik und Banken - es herrsche Panik. Anleger suchten vermeintlich sichere Anlagen wie Gold. Das Edelmetall verteuerte sich auf den Rekordpreis von 1779 Dollar je Feinunze.

Zur Verunsicherung trugen Aussagen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, bei. "Es ist die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, und es hätte die schwerste Krise seit dem Ersten Weltkrieg werden können, wenn die Führung diese wichtige Entscheidung nicht getroffen hätte", sagte er dem französischen Radiosender Europe 1.

Trichet verteidigte damit die Entscheidung der EZB, italienische und spanische Staatsanleihen aufzukaufen. Die Renditen dieser Papiere, die als Maß für das Ausfallrisiko gelten, waren zuvor auf 6,5 Prozent gestiegen. Seither fürchten Anleger, dass sich (nach Griechenland, Portugal und Irland) auch Italien und Spanien nicht ohne Hilfe aus der Schuldenfalle befreien können.

Bis vor kurzem gab es eine gewisse Sorglosigkeit

Chefvolkswirt Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank hält die Ängste der Anleger für übertrieben. Dagegen sagte Andreas Rees, Chefvolkswirt für Deutschland bei der italienischen Großbank Unicredit, es sei klargeworden, dass die Verlangsamung des weltweiten Wachstums deutlich stärker ausfallen werde als bisher erwartet: "Bis vor zwei, drei Wochen war eine gewisse Sorglosigkeit zu beobachten."

Zu der schlechten Stimmung trugen Nachrichten aus China bei. Dort ist die Inflation auf 6,5 Prozent gestiegen. China und andere Schwellenländer hatten nach der Pleite von Lehman Brothers 2008 die Welt mit starkem Wachstum aus der Rezession gezogen. Ökonomen bezweifeln, dass China diese stützende Rolle nun erneut einnehmen könnte. Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao äußerte sich am Dienstag erstmals zur Schuldenkrise in den USA und Europa. Er forderte stärkere internationale Zusammenarbeit, um Ungleichgewichte in den Griff zu bekommen. Wie die US-Notenbank Fed am Dienstagabend mitteilte, will sie noch für zwei weitere Jahre den Leitzins auf dem Niedrigst-Niveau halten, auf das sie ihn im Dezember 2008 wegen der globalen Finanzkrise gesenkt hatte.

Die Bundesregierung versuchte, die Märkte zu beruhigen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) schlug einen neuen Euro-Stabilitätspakt vor. Ziel sei eine "Stabilitätsunion", in der automatisch Sanktionen greifen müssten, wenn die Kriterien verletzt würden. Sein Vorschlag sei mit der Kanzlerin abgestimmt. Zudem sollten alle Euro-Zonen-Länder schnellstmöglich eine Schuldenbremse in ihren Verfassungen verankern. Mit der Forderung nach automatischen Sanktionen hatte sich die Bundesregierung bislang in der EU nicht durchsetzen können.

© SZ vom 10.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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