Reformationsjahr:Zwei Kirchenvertreter, denen Förmlichkeiten fremd sind

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Sie verbindet Frömmigkeit: Heinrich Bedford-Strohm bei Papst Franziskus im Vatikan. (Foto: L'Osservatore Romano/Agenzia Ro)

EKD-Vorsitzender Bedford-Strohm trifft Papst Franziskus zu einer bemerkenswerten Audienz. Ausgerechnet im Jubeljahr der Reformation bewegen sich die großen Konfessionen der westlichen Christenheit aufeinander zu wie lange nicht mehr.

Von Matthias Drobinski, Rom

Schnell! Auf einmal steht er in der hohen Tür, der Mann mit den weißen Haaren, und winkt. Die Zeit drängt. Also los, durch die Tür, hinein in den Vatikan, in den Hof der Glaubenskongregation, ins Auto gesprungen, das da schon wartet. Alle drin, sagt Heinrich Bedford-Strohm. Der Fahrer drückt das Gaspedal durch. Die Autos mögen kleiner geworden sein, seit hier Papst Franziskus Bescheidenheit predigt, ihr Tempo aber haben die Fahrer beibehalten; der Volkswagen schießt zentimetergenau durch enge Tore und rattert übers Kopfsteinpflaster hin zum Apostolischen Palast, zur Audienz mit Papst Franziskus.

Moment. Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der Glaubenskongregation? Im 500. Jahr der Reformation dort, von wo aus die katholische Kirche wieder und wieder die Reformatoren als Irrlehrer verurteilte? Im vertrauten Gespräch mit Kardinal Gerhard Ludwig Müller, dem Präfekten der Glaubenskongregation, der vielen nicht gerade als Vorreiter der Ökumene gilt? Und dann schon wieder beim Papst?

Erst Anfang Februar haben sie sich getroffen, da hatte ihn Franziskus gemeinsam mit dem Bischofskonferenzvorsitzenden Kardinal Reinhard Marx eingeladen; davor war der oberste Repräsentant des evangelischen Deutschland kurz nach dem Amtsantritt des neuen Papstes da. Es heißt, mancher im Vatikan runzle die Stirn bei so viel protestantischer Präsenz - und mancher strenge Protestant im Angesicht so vieler Reisen ins Herz des Katholischen.

Der Vatikan hat immer noch eine höfische Struktur

Die beiden mögen sich, der charismatische Papst und der begeisterungsfähige Protestant. Beide verbinden sie Frömmigkeit, Politik und Weltverbesserung, beide machen sich wenig aus steifer Förmlichkeit, beide sind sie große Menschenumarmer. Der Ratsvorsitzende sei ein "Mann mit Feuer im Herzen", hat Papst Franziskus im Februar gesagt.

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Das Treffen an diesem Frühlingstag im Vatikan ist aber mehr als das Treffen zweier Leute, die sich irgendwie sympathisch sind. Es ist ein Zeichen dafür, dass ausgerechnet im Jubeljahr der Reformation die großen Konfessionen der westlichen Christenheit sich aufeinander zubewegen wie lange nicht mehr.

Allen Reformbemühungen zum Trotz: Der Vatikan hat immer noch eine höfische Struktur. Das heißt: Manchmal ist er abweisend und verschlossen, ohne dass man wirklich weiß, warum. Das heißt aber auch: Manchmal öffnet er sich weit, ohne dass man wirklich weiß, warum.

Das päpstliche Komitee für Geschichtswissenschaft tagt, Historiker aus aller Welt diskutieren über Martin Luther und die Folgen, Bedford Strohm nimmt an einer Diskussionsrunde teil. Noch so ein kleines Wunder des Luther-Jahres: Man diskutiert im Vatikan, ob die Kirchenspaltung vor 500 Jahren nicht zu einem guten Teil ein großes Missverstehen war. Am Ende jedenfalls soll eine Papstaudienz stehen, nur: für wen? Für einige, für alle? Dann heißt es: für alle.

So zuckelt ein holzgetäfelter Fahrstuhl hinauf in den 2. Stock des Apostolischen Palastes, man geht durch den endlosen Gang mit den zahllosen Fresken, die den Raum und das Ereignis groß machen und den Besucher klein und staunend, zur Sala Clementina, dem großen Audienzraum.

Man sieht die Renaissancemalerei, den spiegelnden Marmor und die Grünpflanzen, die im Marmortopf still ihr tageslichtloses Dasein erdulden und versteht, warum Franziskus nun im Gästehaus wohnt. Fünf Dutzend Männer und zwei Handvoll Frauen warten auf den Pontifex, das ein oder andere Smartphone wird schüchtern hochgehalten, Selfies haben es noch nicht bis hierhin geschafft.

Und dann ist er da, Papst Franziskus, als hätte er sich angeschlichen, damit es nicht ein solches Aufsehen gibt. Er grüßt in die Runde, lächelt zum Protestanten herüber - ah, da sind Sie ja wieder. Er setzt sich neben seinen Organisator, Erzbischof Georg Gänswein, lauscht, das Kinn auf die Hand gestützt, dem Gruß des Vertreters der Historiker. Er sei so dankbar wie erstaunt, sagt er dann, "wenn man bedenkt, dass vor nicht allzu langer Zeit eine derartige Tagung vollkommen undenkbar gewesen wäre".

Und wenn Katholiken und Protestanten nun gemeinsam über Luther sprächen, könne man "darin die Früchte des Wirkens des Heiligen Geistes mit Händen greifen". Zu lange hätten ein "Klima des gegenseitigen Misstrauens und der Rivalität" die Beziehungen zwischen den Konfessionen geprägt. Nun sei es an der Zeit, "all das zu erkennen und anzunehmen, was in der Reformation positiv und berechtigt war", und von jenen Fehlern, Übertreibungen und Vorurteilen Abstand zu nehmen, "die zur Trennung geführt haben".

Der Papst? Hat gelächelt und sich nicht festgelegt

Dann das große Händeschütteln. Papst und Protestant halten einander lange fest, reden, lachen, und die Wangen des Ratsvorsitzenden glühen vor Begeisterung. Wer übrigens vor Franziskus niederknien und ihm den Ring küssen will, den zieht der Papst geradezu erschrocken wieder nach oben, er mag das überhaupt nicht, heißt es. Die breite Marmortreppe geht es hinunter, nach draußen wieder an die Sonne.

"Die Gelegenheit ist da", sagt Heinrich Bedford Strohm, "es braucht jetzt Mut, sonst ist sie weg." Er hält das neue Buch übers Papstamt von Gerhard Ludwig Müller in der Hand, der oberste Glaubenswächter der katholischen Kirche hat es ihm geschenkt. Er will es lesen, es auf ökumenische Impulse hin durchsuchen, aufs Verbindende hin. Hat nicht Müller neulich erst in der evangelischen Gemeinde in Rom einen fulminanten Vortrag über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer gehalten? Wenn das alles Martin Luther wüsste. Und Papst Leo X., des Reformators Gegenspieler.

Was Bedford-Strohm mit dem Papst geredet hat? "Ich hab ihn noch einmal nach Deutschland eingeladen", sagt er. Und der Papst? Hat gelächelt und sich nicht festgelegt.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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