Reform der Bundeswehr:Ja zur Berufsarmee

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Gegen die Bundeswehr-Reformpläne des Verteidigungsministers meutern vor allem Politiker aus der Union. Dabei hat Karl-Theodor zu Guttenberg die Macht der Fakten auf seiner Seite.

Joachim Käppner

Der deutsche Landsknechtführer Georg von Frundsberg erblickte 1513 nahe der Stadt Creazzo eine Übermacht. Das Heer der Venezianer war dem seinen an Zahl weit überlegen, und so soll er vor seinen bangen Pikenieren ausgerufen haben: "Viel Feind, viel Ehr!"

Wer jetzt nicht ohne Rührseligkeit fordert, die Bundeswehr müsse "die Armee der Söhne und Töchter bleiben", provoziert die Gegenfrage, ob Zeit- und Berufssoldaten denn keine Söhne und Töchter unserer Gesellschaft sind. (Foto: Getty Images)

Ganz ähnlich dürfte sich zurzeit der Bundesminister der Verteidigung fühlen.

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Bundeswehr um ein gutes Drittel verkleinern, von einer Viertelmillion auf etwa 170.000 Soldaten; er muss Milliarden sparen; er plant, die Wehrpflicht auszusetzen und statt ihrer einen freiwilligen Dienst für 7500 junge Menschen im Jahr zu schaffen. Das ist ein Umbau von so epochalen Ausmaßen, dass er Widerstand provoziert.

Nun könnte der Gedanke naheliegen, der stürmische Stil des jungen Ministers sei dem Wesen des Frundsbergers gar nicht so fremd. Aber gegen den standen wenigstens nicht die eigenen Truppen. Gegen den Baron meutern sogar Teile der Unionsfraktion.

Im politischen Schlachtgetümmel hat Guttenberg aber zumindest einen guten Verbündeten: die Macht der Fakten. Eine Reform der Bundeswehr ist unumgänglich, und sie wäre das auch ohne die Sparzwänge, die den Minister plagen. Sie ist zu groß, zu bürokratisch aufgebaut und für ihre neuen Aufgaben nicht ausreichend aufgestellt.

Wenn rund 7000 Soldaten die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch und anderswo in der Welt verteidigen, sind die Streitkräfte bereits am Rande ihrer Kräfte angelangt. Die Bundeswehr setzt nach zwei Jahrzehnten internationaler Missionen noch immer falsche Prioritäten; sie ist noch zu stark der alten Rolle der Landesverteidigung verpflichtet und zu wenig das, was sie nach dem Willen der Politik doch zu sein hat: eine Armee im Einsatz.

Längst aber ist in erheblichen Teilen Realität, was Guttenbergs Gegner verhindern wollen. Zum Beispiel die Aussetzung der Wehrpflicht. Faktisch, aber nicht de jure, gilt diese Aussetzung bei sechs von sieben jungen Männern bereits: Sie werden einfach nicht gezogen. Und die, die gezogen werden, sind gerade noch sechs Monate dabei.

Die Bundeswehr ist für ihre heutigen Aufgaben noch immer zu groß, aber paradoxerweise längst viel zu klein, um Verwendung für die Masse der Wehrpflichtigen zu haben. Die wurden gebraucht, als die Armee fast doppelt so stark war wie heute und das Rückgrat der konventionellen Verteidigung des Westens gegen die Panzerarmeen des Warschauer Paktes. Mit dieser Bedrohung aber ist auch der Sinn eines Zwangsdienstes entfallen, an dem viele Unionisten jetzt klammern, als sei es sinnstiftend für eine Demokratie, möglichst viele junge Staatsbürger unter Waffen zu halten.

Nur: Sollte Guttenberg deswegen mit der Aussetzung scheitern, ist die Gefahr enorm, dass dann das Bundesverfassungsgericht die wenig überzeugende Praxis der Wehrpflicht kippt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, worum es den Gegnern der Bundeswehrreform eigentlich geht.

Auch die Berufsarmee gibt es eigentlich schon, zumindest großteils. Heute machen Zeit- und Berufssoldaten etwa achtzig Prozent der noch 245.000 Männer und Frauen starken Truppe aus. Die Zeit- und Berufssoldaten tragen die Last der internationalen Einsätze. Wehrpflichtige, die sich freiwillig länger und für den Dienst im Ausland verpflichtet haben, sind noch nicht einmal mitgezählt.

Wer jetzt nicht ohne Rührseligkeit fordert, die Bundeswehr müsse "die Armee der Söhne und Töchter bleiben", provoziert die Gegenfrage, ob diese Zeit- und Berufssoldaten denn keine Söhne und Töchter unserer Gesellschaft sind.

Vielen Gegnern der Reform geht es weniger um die Bundeswehr. Landespolitiker fürchten um Standorte und Arbeitsplätze, Unionsabgeordnete den Verlust von Parteiidentität. Ehemalige Militärs trauern der alten Truppe nach und den Aufgaben und klaren Feindbildern von damals.

Plausibler klingt zunächst das Gegenargument, ohne Wehrpflicht könne die Bundeswehr ihre Bündnispflichten nicht mehr erfüllen. Doch eine größere Armee als die von Guttenberg geplante (etwa die ebenfalls diskutierte Zahl von 210.000 Soldaten) wäre nur unter Beibehaltung der Wehrpflicht zu haben oder unbezahlbar.

Die Verbündeten, zumal in Afghanistan, hätten ganz andere Wünsche an die Deutschen - dass sie ihre Soldaten auch in die heißen Kampfzonen schicken, wo Amerikaner, Briten und Kanadier bislang die Hauptlast des Krieges gegen die Taliban getragen haben.

An der Reform führt kein Weg vorbei. Gewiss hat das Lieblingsmodell des Ministers Schwächen; so erscheint die Zahl von 7500 freiwillig Dienenden arg klein, um genügend Nachwuchs in die Armee zu bringen.

Wenn sich der Generalinspekteur aber nun sorgt, ob diese 7500 überhaupt zu gewinnen sind, klingt das ein wenig kleinmütig; es liegt ja an der Bundeswehr selbst, wie attraktiv die Stellen sind, die sie zu bieten hat.

Entscheidend dürfte die Frage des Geldes sein. Die Aussetzung der Wehrpflicht und die Verkleinerung der Armee wird viel sparen, aber durch Werbung um Freiwillige und eine neue Bürokratie auch einiges kosten. Eine Armee im Einsatz wird immer eine sehr teure Armee sein. Hier steht Guttenberg das wichtigste Gefecht noch bevor.

Georg von Frundsberg war bei Creazzo übrigens der Sieger und gilt seither als erfolgreicher Militärreformer. Er hatte seine Kriegsknechte klug aufgestellt.

© SZ vom 25.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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