Die Fenster an Susanne Schapers altem Büro sind gerade gewechselt worden, das Silikon ist noch frisch. Die Einschlaglöcher sieht man jetzt nicht mehr, auch das Plakat mit ihrem Gesicht ist verschwunden. Vandalen hatten der linken Landtagsabgeordneten Schaper darauf ein Hitlerbärtchen gemalt. Noch deutlich erkennbar aber ist die schwarze Lackfarbe, die wohl in Glühbirnen oder Christbaumkugeln gefüllt und dann an die Fassade geworfen wurde. Auch ein Geschmiere ist noch zu lesen - I, ein Herz, dann: NS wie Nationalsozialismus.
Die Situation von Susanne Schaper ist doppelt typisch und doch speziell. Typisch ist sie zum Ersten, weil der Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg, in dem sie ihr Büro hatte und wieder eines haben möchte, als ein von Rechtsextremen besonders beanspruchtes Gebiet gilt. Für das Jahr 2016 verzeichnete das Sächsische Innenministerium hier im Schnitt mehr als eine politisch rechts motivierte Straftat pro Woche. Susanne Schaper sagt, Gewalttäter versuchten in Sonnenberg, "mit Einschüchterungen und offenem Faschismus die Oberhand zu gewinnen".
Typisch ist die Situation Schapers zum Zweiten, weil Anschläge auf Abgeordnetenbüros und ähnliche Angriffe weiter zunehmen. Der Sächsische Landtag hat deswegen soeben eine neue Kostenstelle mit 100 000 Euro pro Jahr ausgestattet, für "Unterstützungsleistung in besonderen Ausnahmefällen". Mit dem Fonds soll Abgeordneten aller Fraktionen geholfen werden, die für ihre Büros keine Versicherung mehr finden und Schäden zu begleichen haben. Auch vermittelte der Landtag Schulungen für Abgeordnete, wie sie ihre Büros und sich besser schützen könnten. Die Nachfrage war dem Vernehmen nach enorm.
Allein die sächsische Linke zählte im abgelaufenen Jahr 45 Angriffe auf Büros und ähnliche Vorfälle, bei der AfD waren es nach knapp elf Monaten 32. Deren Landesvorsitzende Frauke Petry hatte zuvor lange Mühe, eine Wohnung in Leipzig zu finden - gleich mehrere Vermieter sagten nach Auskunft Petrys mit Verweis auf zu erwartende Sachschäden und Risiken für andere Mieter ab. Wegen derlei Bedenken wurde Susanne Schaper das Büro in Chemnitz-Sonnenberg zum 31. Oktober des vergangenen Jahres gekündigt. Sie hat für den Vermieter, irgendwie, sogar Verständnis. "Wenn's hier mal brennt . . .", sagt sie am Eingang ihrer alten Räume - und lässt den Satz ins Leere laufen. Gleichzeitig sieht sie in einer solchen Absage ein "völlig falsches Signal". Offenbar sei die Gesellschaft dabei, sich an Anschläge wie diesen zu gewöhnen.