Russland-Krise:Baerbock: Putin hat den Westen belogen

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Ein Kadett der russischen Armee während der Veranstaltungen zum Tag des Verteidigers des Vaterlandes am Mittwoch in Simferopol. (Foto: Konstantin Mihalchevskiy/dpa)

Die deutsche Außenministerin wirft dem russischen Präsidenten Täuschung vor. EU beruft Sondergipfel ein, Ukraine verhängt Ausnahmezustand.

Von Stefan Braun

In der sich weiter zuspitzenden Krise mit Russland hat Außenministerin Annalena Baerbock den russischen Präsidenten Wladimir Putin scharf angegriffen. Die Grünen-Politikerin warf Putin am Mittwoch vor, während der Besuche von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz in Moskau den Westen bewusst hinters Licht geführt zu haben. "Wenn man vor einer Woche A gesagt hat und jetzt das Gegenteil tut, dann hat man nicht die Wahrheit gesagt. Oder auf Deutsch: Dann hat man gelogen", sagte Baerbock nach einem Treffen mit ihrem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian in Berlin. Putin habe sich entschieden, gegen das Völkerrecht zu agieren und es zu missachten, sagte Baerbock. "Die internationale Gemeinschaft wird diesen Völkerrechtsbruch nicht akzeptieren." Das Minsker Abkommen, um dessen Rettung sich Macron und Scholz zuletzt als Vertreter des Normandie-Formats bemüht hatten, sei "vom russischen Präsidenten zertrümmert" worden, so Baerbock. Putin habe es einst unterschrieben, "jetzt ist das Papier nichts mehr wert".

Trotz der Attacken bemühte sich Baerbock auch darum, nicht alle Gesprächskanäle zu schließen. Selbst in der härtesten Krise müsse man das Fenster für einen Austausch offen halten. "Wir wollen Krieg verhindern", betonte die Außenministerin. Es sei nun an Russland, die Eskalationsschritte zurückzunehmen. Der französische Außenminister Le Drian hatte an einer Sitzung des Bundeskabinetts teilgenommen. Er betonte, die Europäer und westlichen Partner müssten die Geschlossenheit und Solidarität untereinander aufrechterhalten und dürften zugleich einen Dialog nicht ausschließen, damit es keine kriegerische Auseinandersetzung gebe.

Außenministerin Annalena Baerbock und ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin am Mittwoch. (Foto: Pool/via Reuters)

Baerbock lobte das von der Europäischen Union beschlossene Sanktionspaket. Die EU habe schnell und koordiniert gehandelt und Putin auf diese Weise deutlich gemacht, dass sein Vorgehen "in keiner Minute" akzeptiert werde. Die Grünen-Politikerin deutete zugleich an, dass weitere Sanktionen folgen könnten. Man werde "alle harten Maßnahmen ergreifen, wenn das denn nötig ist", sagte Baerbock. Le Drian sprach von sehr ernsten, schmerzhaften Sanktionen gegen Russland. Er betonte zugleich, dass man das Normandie-Format für Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland nicht aufgeben werde.

Am Donnerstagabend werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf einem Sondergipfel in Brüssel treffen. Dabei dürfte es exakt um diese Fragen gehen: Welche Sanktionen könnten noch folgen? Und welche Möglichkeiten könnte es geben, Russland doch noch zu einer Umkehr zu bewegen. Nach baldigen Gesprächen zur Entspannung der Lage sah es am Mittwoch aber nicht aus. Stattdessen griff Russlands Außenminister Sergej Lawrow den UN-Generalsekretär António Guterres an. "Zu unserem großen Bedauern hat der UN-Generalsekretär sich dem Druck des Westens gebeugt und mehrere Erklärungen zu den Vorgängen in der Ostukraine abgegeben, die seinem Status und seinen Vollmachten laut UN-Charta nicht entsprechen", sagte Lawrow. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen habe die Neutralität zu wahren und sei "immer verpflichtet, für einen direkten Dialog zwischen den Konfliktstaaten einzutreten", so Lawrow. Guterres hatte Russland für die Eskalation im Ukraine-Konflikt verurteilt und die Einhaltung des Völkerrechts gefordert. "Wenn Truppen eines Landes ohne dessen Zustimmung das Hoheitsgebiet eines anderen Landes betreten, sind diese keine unparteiischen Friedenswächter, sie sind überhaupt keine Friedenswächter", hatte Guterres in New York erklärt. Derartige Kritik an einer UN-Vetomacht ist ungewöhnlich.

Der ukrainische Sicherheitsrat hat am Mittwoch angekündigt, zunächst für 30 Tage den Ausnahmezustand zu verhängen. Außerdem hat der ukrainische Grenzschutz aus Furcht vor einem russischen Angriff den nächtlichen Aufenthalt in den Grenzregionen zu Russland und Belarus sowie in der Nähe der sogenannten Kontaktlinie zu den ostukrainischen Separatistengebieten verboten. Untersagt sind auch Video- und Fotoaufnahmen von Grenzschutzanlagen und anderen Objekten des Grenzschutzes. Ausländer dürfen sich nicht im Grenzstreifen aufhalten.

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