Baschar al-Assad versucht weiter, die syrische Protestbewegung zu ersticken: Sicherheitskräfte des Diktators haben nach Angaben von Aktivisten einen Sitzstreiks nahe der Hauptstadt Damaskus gewaltsam aufgelöst und etwa 200 Menschen festgenommen.
Die Razzia habe sich gegen Mitternacht in der Stadt Duma ereignet, wo rund 4000 Menschen demonstriert hätten. Laut Angaben von Aktivisten wurde gegen Mitternacht der Strom abgestellt und die Demonstranten angegriffen. Truppen hätten die Demonstranten mit Schlagstöcken angegriffen und mehrere von ihnen verletzt. Wie vertrauenswürdig diese Informationen sind, ist allerdings unklar: Ein Augenzeuge, der am Samstag nach Duma fuhr, sagte, es gebe keine Spuren eines Kampfes in dem Gebiet und die Geschäfte seien offen.
Tote gab es in Latakia an der Mittelmeerküste im Westen Syriens. Mindestens zwei Menschen wurden erschossen. Zwei Versionen dieses Vorfalls sind in Umlauf: Scharfschützen hätten fünf bis sieben Demonstranten getötet, als diese versuchten, Gebäude der regierenden Baath-Partei in Brand zu setzen, sagte der Menschenrechtsaktivist Ammar Karabi der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur AFP einen Behördenvertreter anonym zitiert, der von "Heckenschützen" gesprochen hatte, die auf "Passanten" geschossen hätten.
Im Online-Netzwerk Facebook wurde am Samstag ein Aufruf zu einem "Volksaufstand" veröffentlicht. Auch im Zentrum der Proteste, dem südsyrischen Deraa, sind nach Angaben der Opposition erneut Tausende auf die Straße gegangen, um demokratische Reformen zu verlangen. Dabei griffen die wütenden Demonstranten offenbar ihrerseits den Regierungsapparat an: Nach Angaben der oppositionellen Facebook-Seite "Youth Syria for Freedom" brannten sie den örtlichen Sitz der herrschenden Baath-Partei nieder. In Deraa stationierte Offiziere der Armee liefen angeblich zu den Regimegegnern über. Durch andere Quellen konnten diese Angaben zunächst nicht bestätigt werden. In dem Ort Tafas wurde am Samstag zudem eine Polizeiwache angezündet.
Am Vortag hatten Sicherheitskräfte in der nahe gelegenen Ortschaft Al-Sanamien 23 Demonstranten erschossen. Deraa ist der Brennpunkt der seit einer Woche laufenden Proteste in Syrien. Nach Angaben von Amnesty International haben die Sicherheitskräfte dort insgesamt bereits 55 Menschen getötet.
260 politische Gefangene freigelassen
Die staatliche Nachrichtenagentur meldete am Samstag, eine Gruppe Bewaffneter habe am Freitag einen Offiziersclub in der Stadt Homs angegriffen und einen Menschen getötet. Mehrere weitere Menschen seien verletzt worden. Auf Videos in sozialen Online-Netzwerken waren Demonstranten in Homs zu sehen, die ein großes Poster des früheren syrischen Präsidenten Hafis Assad - des Vaters des jetzigen Staatschefs - über dem Eingang des Offiziersclubs herunterrissen. Die Echtheit des Videomaterials konnte allerdings nicht bestätigt werden.
In Damaskus trat die Führung der regierenden Baath-Partei zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen zusammen. Das staatliche Fernsehen kündigte an, dass "einige wichtige Entscheidungen" bevorstünden, darunter eine Regierungsumbildung.
Das Assad-Regime versucht unterdessen weiter, den Demonstranten den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Wut nach den tödlichen Razzien einzudämmen: Offenbar als Reaktion auf die massiven Proteste hat die syrische Führung 260 politische Gefangene freigelassen. Sie seien am Freitagabend aus dem Gefängnis Sednaja entlassen worden, bei den meisten handele es sich um Islamisten, auch 14 Kurden seien darunter, sagte Abdel Karim Rihaui, Präsident der syrischen Menschenrechtsliga in Damaskus. Die meisten der Freigelassenen hätten drei Viertel ihrer Strafe verbüßt. Rihaui reicht das aber nicht. Er forderte die Freilassung aller politischen Häftlinge.
Zuvor hatte bereits der Leiter der syrischen Menschenrechtswarte mit Sitz in London, Rami Abdelrahman, unter Berufung auf den syrischen Anwalt und Menschenrechtsaktivist Sirin Churi von mehr als 200 Freigelassenen gesprochen. Die Regierung bestätigte die Freilassungen aber zunächst nicht. Syrien hat in der vergangenen Woche immer wieder Gruppen von Gefangenen aus der Haft entlassen - und gleichzeitig erneut viele Demonstranten verhaftet.