Proteste in Libyen:Gaddafis Sohn will Kampf "bis zur letzten Kugel"

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"Vor dem Scheideweg": Nach tagelangen blutigen Unruhen in Libyen hat Saif el-Islam el Gaddafi, Sohn des Staatschefs Muammar el Gaddafi, Reformen versprochen und zugleich vor einem Bürgerkrieg gewarnt.

Nach tagelangen, zunehmend heftigeren Protesten gegen Libyens Revolutionsführer Muammar el Gaddafi hat dessen Sohn Reformen zugesagt. In einer in der Nacht zum Montag im Fernsehen übertragenen Ansprache machte Saif el-Islam el Gaddafi aber gleichzeitig deutlich, dass sein Vater nicht abdanken werde, und warnte vor einem Bürgerkrieg. Kurz zuvor hatten die Proteste erstmals die Hauptstadt Tripolis erreicht.

Machte deutlich, dass sein Vater nicht abdanken werde: Saif el-Islam el Gaddafi. (Foto: Reuters)

Das libysche Parlament werde schon bald zusammentreten, um neue Strafgesetze sowie Gesetze für mehr Presse- und Bürgerfreiheiten zu verabschieden, kündigte Saif el-Islam el Gaddafi an. Er rief die Bevölkerung dazu auf, ein "neues Libyen zu erschaffen". Das nordafrikanische Land stehe "vor dem Scheideweg: Entweder verständigen wir uns auf Reformen, oder wir werden nicht nur den Tod von 84 Menschen beweinen, sondern von Tausenden." Den ausländischen Medien, die von bis zu 200 Opfern der gewaltsamen Einsätze der Sicherheitskräfte berichtet hatten, warf Gaddafis Sohn Übertreibung vor.

Nach tagelangen Protesten hatte sich die Lage in dem nordafrikanischen Land am Wochenende weiter zugespitzt. Nach Bengasi und El Baida im Osten des Landes erreichten sie auch die Mittelmeerstadt Misrata sowie Tripolis. Al-Dschasira meldete, in der Hauptstadt Tripolis sei es zu Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern von Gaddafi gekommen. Beim britischen Sender BBC hieß es, die zweitgrößte Stadt des Landes, Bengasi, sei offensichtlich unter der Kontrolle von Regimegegnern.

In der Nacht zum Montag stürmten Hunderte Libyer nahe der Hauptstadt Tripolis eine von einer südkoreanischen Firma geführte Baustelle. Dabei seien 15 Bauarbeiter aus Bangladesch sowie drei Südkoreaner verletzt worden, teilte das südkoreanische Außenministerium mit. Zwei der Arbeiter aus Bangladesch hätten schwere Stichverletzungen davongetragen. Es seien Computer und schweres Arbeitsgerät gestohlen worden. Ob es einen direkten Zusammenhang zu den Protesten gegen die libysche Regierung gebe sei unklar, sagte ein Mitarbeiter des südkoreanischen Außenministeriums.

Gaddafis Sohn, der 2007 für ein Jahr den Reformflügel des Regimes leitete, machte in seiner Fernsehansprache deutlich, dass jeder Versuch einer "weiteren Facebook-Revolution" wie in Tunesien und Ägypten niedergeschlagen werde. Die Armee stehe hinter dem Revolutionsführer. "Muammar Gaddafi, unser Führer, führt den Kampf in Tripolis, und wir sind an seiner Seite. Wir werden bis zum letzten Mann, bis zur letzten Frau, bis zur letzten Kugel kämpfen."

Gleichzeitig räumte er jedoch Fehler der Armee im Umgang mit den Protesten ein: Die Armee habe bei ihrem harten Durchgreifen gegen die Protestierenden Fehler gemacht, da sie nicht für den Einsatz bei Demonstrationen ausgebildet sei.

"Wir drängen auf Zurückhaltung"

Unterdessen beginnt auch der Zusammenhalt innerhalb des Regimes zu bröckeln. Der ständige Vertreter Libyens bei der Arabischen Liga, Abdel Moneim el Honi, legte am Sonntag seinen Posten nieder und schloss sich der "Revolution" in seinem Land an. Ihm folgte am Montag ein ranghoher Diplomat in China: Vor laufender Kamera des Fernsehsenders al-Dschasira rief Hussein Sadiq el Musrati seine Botschafterkollegen in aller Welt auf, sich seinem Rücktritt anzuschließen. Der Diplomat berichtete von heftigen Kämpfen zwischen Gaddafis Söhnen, doch ließ sich diese Information zunächst nicht bestätigen.

Die EU und die USA riefen die Führung in Tripolis auf, die Gewalt gegen die Demonstranten zu beenden. "Wir drängen auf Zurückhaltung, wir drängen auf ein Ende der Gewalt, und wir drängen zum Dialog", sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel. Der deutsche Staatsminister Werner Hoyer sagte, das Entsetzen über die Gewalt gegen die Proteste sei groß. Die EU müsse auch über Sanktionen gegen die Regierung unter Führung von Gaddafi nachdenken.

Die US-Regierung zeigte sich ebenfalls tief besorgt: Man habe deutliche Kritik am gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten geäußert, sagte Außenamtssprecher Philip Crowley in Washington. In Gesprächen mit libyschen Regierungsvertretern, darunter Außenminister Musa Kusa, habe Washington "die Bedeutung der Grundrechte betont, darunter die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit".

© sueddeutsche.de/AFP/dapd/dpa/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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