Proteste in der islamischen Welt:Gewalt eskaliert - deutsche und US-Botschaft gestürmt

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Demonstranten in Sudans Hauptstadt Khartum haben die deutsche Botschaft gestürmt und im Gebäude Feuer gelegt. Auf dem Dach des Gebäudes haben sie die deutsche Flagge entfernt und ein islamistisches Banner gehisst. Auch die US-Botschaft in Tunesien wurde angegriffen - mehrere Menschen wurden getötet.

Aufgebrachte Demonstranten haben am Freitagnachmittag die deutsche Botschaft in Sudans Hauptstadt Khartum gestürmt. Einige der Protestierenden hätten Teile der Botschaft in Brand gesetzt, sagte Außenminister Guido Westerwelle. Nach seinen Angaben sind bei dem Angriff keine Botschaftsangehörigen verletzt worden. Das habe ihm der deutsche Botschafter in Khartum mitgeteilt. Alle Mitarbeiter befänden sich derzeit in Sicherheit, so Westerwelle. Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes tagt und steht in ständigem Kontakt mit der Botschaft.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von einer aufgebrachten Menge von etwa 5000 Menschen, die sich vor dem Gebäude der Botschaft versammelt habe. Steine seien geflogen, außerdem hätten die Demonstranten versucht, das Eingangstor zu durchbrechen. Die Polizei habe Tränergas eingesetzt.

Einigen Demonstranten gelang es, auf das Dach der Botschaft zu kommen. Dort rissen sie die deutsche Flagge herunter und hissten eine islamistische Flagge. Auch die britische Botschaft, die in unmittelbarer Nähe der deutschen Vertretung liegt, soll angegriffen worden sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt und rief die arabischen Regierungen auf, die Sicherheit der Vertretungen zu gewährleisten. "Religiöser Fanatismus darf nicht die Oberhand gewinnen", mahnte Merkel.

Waren die Angriffe geplant?

Wie al-Dschasira meldete, machten sich etliche Menschen nach den Attacken auf die deutsche und die britische Vertretung auf den Weg zur amerikanischen Botschaft. Dort versuchten sie, die Mauer der Vertretung zu erklimmen und das Gebäude zu stürmen. Hintergrund ist das anti-islamische Schmäh-Film über den Propheten Mohammed, das ein radikaler koptischer Christ aus Kalifornien produziert hat.

Offenbar erfolgten die Angriffe auf westliche Einrichtungen nicht spontan, sondern waren im Vorfeld geplant. Die örtliche Zeitung Sunday Tribune berichtet von einer Zusammenkunft am Donnerstag, bei der der Gouverneur von Khartum zur Unterstützung des Propheten aufgerufen hatte. Teilgenommen hätten demnach Islamistengruppen und überwiegend mit den extremistischen Salafisten verbundene Imame. Dabei hätten die Anwesenden gefordert, die Botschafter der USA und Deutschlands auszuweisen, so die Zeitung unter Berufung auf Augenzeugen.

US-Botschaft in Tunis gestürmt

Auch in anderen islamischen Ländern gehen die Proteste gegen den aus den USA stammenden Mohammed-Schmäh-Film weiter. Vor der US-Botschaft in Tunis ist es zu gewalttätigen Zusammenstößen gekommen. Demonstranten warfen mit Steinen. Die Polizei setzte Tränengas ein. Nach Berichten mehrerer Nachrichtenagenturen sind zwei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden.

Eine Gruppe gelang es zeitweise, den Sicherheitsring um die Botschaft zu durchbrechen. Sie zündeten ein Auto an und ersetzten eine US-Fahne durch schwarze Fahnen des Dschihad, des sogenannten heiligen Kriegs gegen Ungläubige.

Im Umkreis des Gebäudes im Norden der tunesischen Hauptstadt waren zahlreiche Polizisten sowie die paramilitärische Nationalgarde im Einsatz. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters ist auf dem Gelände ein Feuer ausgebrochen. Auch auf dem Gelände einer amerikanischen Schule in der Nähe der Botschaft wurde Feuer gelegt, wie tunesische Medien berichteten.

Bei Protesten in der libanesischen Stadt Tripoli ist ein Mensch ums Leben gekommen. 25 Menschen wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen verletzt. Demonstranten haben dort eine Filiale der US-Imbisskette KFC angegriffen und sie in Brand gesetzt.

Auch mehrere tausend Palästinenser haben im Gaza-Streifen, in Ostjerusalem und im Westjordanland gegen den Film demonstriert. Der Chef der radikalislamischen Hamas, Ismail Hanija, geißelte das bei Youtube veröffentlichte Video als "Angriff auf den Islam und und alle Muslime weltweit".

Auch im Jemen und in Ägypten kam es erneut zu Ausschreitungen. In Kairo bewarfen Demonstranten Polizisten mit Steinen. Die Sicherheitskräfte stellten sich den aufgebrachten Ägyptern in den Weg, um die wie eine Festung bewachte US-Botschaft zu schützen. In Jemens Hauptstadt Sanaa portestierten Augenzeuge zufolge einige Dutzend Menschen gegen den in den USA produzierten Film.

US-Regierung rechnet mit weiteren Protesten am Wochenende

In den USA wartet man besorgt auf weitere Proteste am Wochenende. "Wir beobachten die Entwicklungen sehr genau, die zu weiteren Protesten führen könnten. Wir gehen davon aus, dass diese sich fortsetzen werden", sagte ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Der Freitag sei "traditionell ein Tag von Protesten in der muslimischen Welt".

Die Sicherheitsvorkehrungen an den US-Vertretungen wurden weltweit verschärft. Die USA schickten Medienberichten zufolge neben einer Einheit von Elitesoldaten auch zwei Kriegsschiffe vor die Küste Libyens.

Nach dem tödlichen Angriff auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi, bei dem in der Nacht zum Mittwoch der US-Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner getötet worden waren, nahmen Ermittler mehrere Verdächtige fest. Zur Identität und Zahl der mutmaßlichen Angreifer machte der stellvertretende Innenminister Wanis al-Scharif keine Angaben. US-Sicherheitskreise vermuten das Terrornetzwerk al-Qaida hinter der Attacke.

© AFP/Reuters/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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