Proteste gegen Castor-Transport:Steine des Anstoßes

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Weg mit dem Schotter: Die Aktion "Castor schottern" ruft dazu auf, beim Atommüll-Transport Steine aus dem Gleisbett zu entfernen. Auch die Linke unterstützt diesen Vorschlag - sehr zum Ärger der Behörden.

Hannah Beitzer

Sie wollen den Atommüll-Transport Anfang November zum Stehen bringen: Die Unterzeichner der Aktion "Castor schottern" rufen Demonstranten dazu auf, massenhaft Steine aus dem Gleisbett zu entfernen, damit der Zug mit den Castor-Behältern in Niedersachsen nicht zum Zwischenlager Gorleben fahren kann. Zu den Unterzeichnern gehören auch der Landesvorstand der Linken in Nordrhein-Westfalen sowie einige Bundestagsabgeordnete der Partei.

Auf die Gleise müssen die Polizisten beim Castor-Transport besonders achten: Demonstranten wollen massenhaft Steine aus dem Gleisbett entfernen und so den Atommüll-Transport stoppen. (Foto: AP)

Nach Paragraph 316 b Strafgesetzbuch kann eine Störung des öffentlichen Betriebs mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

Jan van Aken, stellvertretender Bundestagsfraktionsvize der Linken, unterstützt den Aufruf zum "Schottern" dennoch. "Ich finde die Aktion als Reaktion auf den Atom-Deal der Regierung absolut gerechtfertigt", sagte er im Gespräch mit sueddeutsche.de. Immerhin sei die Gefährdung, die durch das Entfernen von Steinen entstünde, ungleich geringer als "eine Gefährdung für Millionen von Jahren" durch Atommüll.

Er sei sich bewusst, dass das "Schottern" eine Straftat ist. "Aber die Entscheidung über die Laufzeitverlängerung, die Milliardengeschenke der Regierung an die Stromkonzerne, das alles ist derart undemokratisch, dass man ein Zeichen setzen muss: Es reicht." Das Entfernen der Steine sieht er als "klares Statement" und fügte hinzu: "Die Aktion ist absolut gewaltfrei."

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sieht das naturgemäß etwas anders. Er rief NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) dazu auf, sich klar von der Linken im Land zu distanzieren. "Das ist eine schlimme Erosion des Rechtsverständnisses von Parteien und Politikern", sagte er der dpa. Wendt machte dafür auch die Entscheidung der Regierung für längere Atomlaufzeiten verantwortlich. Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechnet mit 50.000 Demonstranten. 16.500 Polizisten werden im Einsatz sein - viel zu wenige, meint der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft. Es drohe der größte und längste Castor-Einsatz der Geschichte, sagt Wendt.

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Auch sein Kollege Erich Rettinghaus von der Polizeigewerkschaft Nordrhein-Westfalen ist nach dem Aufruf des Landesverbands der Linken besorgt. "Friedlicher Protest sieht für mich anders aus", sagte er zu sueddeutsche.de. "Beamte müssen ständig die Strecke kontrollieren, das ist ein großer personeller Aufwand." Wenn dabei Stellen übersehen würden, könne es zu schlimmen Unfällen kommen. "Einer muss dafür dann immer seinen Kopf hinhalten", ist sein nüchternes Fazit.

Die Frustration bei den Beamten wachse ständig. "Die Polizei ist in ganz Deutschland an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt", betont der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft. Stuttgart 21, die Anti-Atom-Proteste in Berlin, die Demonstrationen im Hamburger Schanzenviertel - "es gibt immer mehr Themen, die in große Proteste münden." Die Polizei müsse alles glattbügeln, was die Politik selbst nicht geschafft habe. Gleichzeitig würden in vielen Bundesländern Polizeistellen gestrichen.

Jan van Aken versteht den Frust der Polizei: "Die Beamten tun mir leid, weil sie immer für die Politik die Eisen aus dem Feuer holen müssen." Es sei "traurig, wenn die Regierung ihre Projekte nur noch mit Hilfe von Tausenden Polizisten durchsetzen kann". Doch in einem Punkt höre sein Mitleid mit den Beamten auf: "Wenn ein Polizist unnötig gewalttätig wird und - wie neulich in Stuttgart - Schulkindern Pfefferspray ins Gesicht sprüht."

Dass die Situation beim Protest gegen den Castor-Transport Anfang November ähnlich eskalieren könnte, glaubt Erich Rettinghaus nicht. "Die beteiligten Bürgerinitiativen haben sehr deutlich gemacht, dass der Protest friedlich bleiben soll", sagte er. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass die meisten Demonstranten in der Tat gewaltfrei protestierten.

Der Linke-Parteivorsitzende Klaus Ernst geht indes auf Distanz zu "Castor schottern" - und zu seinen Parteifreunden. "Ich halte es für legitim, dass sich die Gegner der Atompolitik der Bundesregierung überlegen, mit welchen Mitteln sie sich wehren können. Ich halte aber nichts davon, es auf Auseinandersetzungen mit der Polizei oder technische Zwischenfälle an Gleisen sogar direkt anzulegen", sagte Ernst den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe.

Der Aufruf könnte nun rechtliche Konsequenzen haben, bevor der Protest überhaupt losgeht. Niedersächsische Behörden befassen sich bereits mit der Aktion. "Wir prüfen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens", sagte Oberstaatsanwalt Roland Kazimierski in Lüneburg." Er gehe davon aus, dass den Atomkraftgegnern das öffentliche Aufrufen zu einer Straftat vorgeworfen werden könne. "Nicht erst die Aktion selber wäre strafbar, sondern vermutlich auch der Aufruf dazu", sagte Kazmierski. Auch die Unterzeichner des Aufrufs machten sich vermutlich strafbar.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt hingegen vor einer pauschalen Kriminalisierung der Castor-Gegner. "Wir wollen zeigen, dass die Bundesregierung mit dieser Atompolitik gegen die Mehrheit der Bevölkerung einen befriedeten Konflikt wieder aufreißt", sagte Energieexperte Thorben Becker der dpa. Er hält es für unverantwortlich, dass bei der Prüfung des nahe des Zwischenlagers gelegenen Salzstocks bei der Prüfung für ein Endlager auch wieder auf Enteignungen gesetzt wird.

Erstmals hat auch der BUND beim Castor-Transport zu Sitzblockaden aufgerufen. Diese werden im Wendland eifrig geübt. Ebenso gibt es auch schon Schotter-Trainings. So wurde auf einem stillgelegten Gleis ausprobiert, wie man möglichst schnell die Steine unter den Schienen wegbekommt und das Gleisbett aushöhlt.

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