Proporzdenken in der CSU:Allianz aus Altbayern und Franken

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In der CSU haben sich Franken und Altbayern die Premium-Jobs schön aufgeteilt. Auch deshalb ist nur einer der Stoiber-Posten umkämpft. Es zeichnet sich schon ab, welcher Partei-Grande leer ausgehen wird.

Oliver Das Gupta

Proporz ist kein schönes Wort, in der Politik aber ein wichtiges. Im Libanon, zum Beispiel, ist in der Verfassung festgelegt, wie Christen sowie schiitische und sunnitische Muslime die höchsten Ämter im Lande untereinander aufteilen. Ein paar Jahre ging das gut.

Franken und Altbayern unter sich: die mächtigsten Männer in der Nach-Stoiber-CSU. Klicken Sie auf die Lupe für die Großansicht. (Foto: Grafik: Hazel Ang)

Auch hierzulande rufen Sozis und Konservative: Achtet den Proporz, allerdings den regionalen. So suchte einst Gerhard Schröder (Wessi) händeringend einen Ossi für den Posten des Bundesverkehrsministers. Und fand ihn schließlich im einstigen Brandenburger Landesvater Manfred Stolpe.

In Parteien ist das Proporzdenken noch arger ausgeprägt. Während die Grünen nach wie vor peinlichst genau auf ihre Woman-First-Doktrin pochen, müssen die Parteispitzen von CDU und SPD stets sorgfältig darauf achten, dass ihre mitgliederstarken Parteisektionen in Nordrhein-Westfalen angemessen mit Posten und Pöstchen ausgestattet werden.

In Bayern gilt das selbstverständlich auch und doch ist der weiß-blaue Proporz mal ein Sonderfall: Schließlich sieht sich die seit bald 50 Jahren herrschende CSU inzwischen als immerwährende Verweserin der idyllischen Gaue zwischen Main und Isar. Das birgt den Vorteil, dass noch viel mehr Stellen - in Partei und Staat - zu verteilen sind. Freilich müssen hinterher alle Schwaben, Ober-, Niederbayern, Oberpfälzer und sämtliche Franken glücklich sein.

Von den bajuwarischen Stämmen scheinen vor allem Ober- und Niederbayern auf der einen und Franken auf der anderen Seite die Premium-Posten unter sich aufgeteilt zu haben. Das funktionierte zuletzt wie folgt: Zwei Bundesminister stellt die CSU in Berlin, den Franken Michael Glos, den Oberbayern Horst Seehofer. Ebenso ein Oberbayer steht der CSU-Landesgruppe vor: Peter Ramsauer.

Beste Karten durch die richtige Region

Regieren durfte in der Staatskanzlei bislang der Oberbayer Edmund Stoiber, abhängig war er aber von der CSU-Fraktion im Landtag, die vom Franken Joachim Herrmann geführt wird. In der Partei nannte der Oberbayer Stoiber den Chefsessel sein Eigen, flankiert von Generalsekretär Markus Söder, der - welch Überraschung - ein Franke ist.

Beste Karten bei der christsozialen Postenvergabe hat also derjenige, der Mann ist und aus der richtigen Region stammt. Das bedeutet: Lieber keine Leute aus dem Theo-Waigel-Schwaben oder jemand aus dem ewig erfolglosen Partei-Bezirk München. Oberpfälzer schaffen es ebenso selten auf einen hohen Posten. Sie gelten zwar auch als Altbayern, aber stammen eben aus dem unbedeutenderen, weil ärmeren Teil.

In der Regel schachert man bei der CSU zur Zufriedenheit aller. Nur wenn es die Parteispitze unerwartet von dannen weht, wie in diesen Tagen, hat die CSU ein dickes Problem.

Edmund Stoibers Posten sind bald vakant, da war kaum Zeit, die Nachfolge fein auszutarieren. Also setzte man sich in Kreuth vermutlich bei ein paar Weißbieren zusammen und baldowerte die Nachfolge aus. Oberstes Gebot scheint auch hier gewesen zu sein: Proporz wahren.

Horst Seehofer (Foto: Foto: ddp)

Vor allem die Franken mussten bedient werden, hatten sich doch Michael Glos als kompetenzarmer Problemminister und Stoibers Kettenhund Söder als derart opportunistisch herausgestellt, dass es manchem in der CSU grauste.

Auch darum fällt Günther Beckstein das Amt des Ministerpräsidenten so leicht in den Schoß. Der Innenminister ist nicht nur trotz oder wegen seiner Hardliner-Politik beliebtester CSUler - er wäre auch der erste Franke seit 1962, der den Freistaat regiert.

Der andere Posten, den Stoiber freimacht, muss, besagt die schwarze Proporz-Logik, den Altbayern zufallen. Nur welchem?

Sowohl der Niederbayer Erwin Huber erhebt Anspruch auf den Parteivorsitz, als auch der Oberbayer Seehofer. Letztgenannter hat es zur Zeit schwer, und das wohl nicht, weil er im fernen Berlin als oberster Verbraucherschützer auftritt.

Sondern weil er zu Beginn der Woche über sein außereheliches Stelldichein mit Folgen in der Zeitung lesen durfte. Es ist immer noch nicht raus, wer dem Boulevard die Geschichte steckte, aber viel wichtiger ist die Antwort auf die Frage: Cui bono?

Die schmierige Geschichte könnte irgendwie der Partei helfen, die Bayern seit 1957 regiert. Schließlich will man bald wieder "Geschlossenheit", da sind sich alle, von Pauli bis Stoiber, einig. Und geschlossen tritt man nur auf, wenn alle zufrieden sind - also wenn der Proporz beachtet wird.

Da hatte Horst Seehofer offenbar Pech.

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