Prantls Blick:Trumps Lügen und die Weltgeschichte

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Im Gebirge der politischen Lügen und Fake News der Weltgeschichte sind die bisherigen Lügen des US-Präsidenten Donald Trump nur Maulwurfshügel - allerdings sind diese sehr zahlreich. (Foto: AFP)

Schwindel, Fälschungen und Betrug: All das hat es seit jeher in der großen und der kleinen Politik gegeben - aber wohl selten in der Dichte und in der Alltäglichkeit wie bei Trump.

Die politische Wochenvorschau von Heribert Prantl

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Das Sicherste in der Weltpolitik sind derzeit die Lügen des Donald Trump. Sie sind sicherer als das Amen in der Kirche. Wenn man ein Ereignis für die kommende Woche vorhersagen kann, dann ist es eine neue Lüge des 45. US-Präsidenten. Nein, falsch - es wird nicht eine Lüge, es werden etliche Lügen sein. Die Weltlage erscheint einem nicht zuletzt wegen dieser Lügereien so unsicher wie schon lange nicht mehr. Aber neu ist eine Politik, die auf Lügen baut, natürlich nicht.

Lug, Trug, Papst Sylvester und Trump

Mit Lug sind Kriege begonnen, mit Trug Reiche zusammengestohlen worden. Die Lüge war und ist Mittel für Machterwerb, Machterhalt, Machtsteigerung. Die Lüge reicht - um den Bogen von der großen Weltgeschichte zur kleinen deutschen Parteiengeschichte zu schlagen - von der sogenannten Konstantinischen Schenkung für den Papst bis zu den jüdischen Vermächtnissen für die hessische CDU, die es beide so nicht gegeben hat. Die Konstantinische Schenkung ist eine auf das Jahr 800 datierte gefälschte Urkunde, die angeblich im Jahr 315 vom römischen Kaiser Konstantin ausgestellt wurde und dem Papst Sylvester und seinen sämtlichen Nachfolgern die Oberherrschaft über Rom, Italien und die Westhälfte des römischen Reichs übertrug. Es war dies ein gewaltiger Schwindel. So wie die Lüge über jüdische Vermächtnisse ein Schwindel war, die am Beginn des Kohl-Spendenskandals steht. Schwindel, Lügen, Fälschung, Betrug: Es hat all das seit jeher in der großen und der kleinen Politik gegeben - aber wohl selten in der Dichte und in der Alltäglichkeit wie bei Trump.

Machiavelli und sein Lob der Lüge

Neuerdings heißen die Lügen Fake News. Im Gebirge der politischen Lügen und Fake News der Weltgeschichte sind die bisherigen Lügen des US-Präsidenten Donald Trump nur Maulwurfshügel. Die Trump'schen Maulwurfshügel sind allerdings zahlreich; sie markieren die globalpolitische Landschaft. Mittendrin in dem Polit- und Lügenkrimi sitzt Machiavelli und schreibt das Lob der Lüge: Wer ein großer Mann werden wolle, der müsse ein "gran simulatore e dissimulatore", ein großer Lügner und Heuchler sein. Ein großer Mann werden? Beim früheren hessischen CDU-Vorsitzenden Manfred Kanther und seinem Schatzmeister Wittgenstein hat das nicht geklappt, beim schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel auch nicht. Und auf der Weltbühne klappte das zuletzt bei George W. Bush ebenfalls nicht. Dieser musste zwar nicht, wie der CDU-Politiker Kanther, vor ein Gericht wegen der Lügen, die in seinem Fall Irak-Lügen waren, dafür widerfuhr ihm aber das, was die Römer "damnatio memoriae" nannten: Die Verdammung seines Angedenkens, und zwar noch zu Leb- und Regierungszeiten.

Verdammung des Angedenkens

Schon am Ende seiner Amtszeit galt Bush jun. als einer der schlechtesten Präsidenten der amerikanischen Geschichte. Er wird wohl von Donald Trump noch überboten werden. Bei George W. Bush war die Verdammung des Angedenkens die schnelle Strafe für sein System der organisierten Lüge, die zwar viele, aber lauter besonders kurze Beine hatte - weil klar sein musste, dass alle Begründungen zur Rechtfertigung des Kriegs gegen Saddam Hussein spätestens nach dem Sieg der Anti-Irak-Allianz als amtlicher Groß-Schwindel entlarvt werden würden. So kam es auch. Bush und sein britischer Streithelfer Tony Blair saßen alsbald vor den Augen der Weltöffentlichkeit auf einem Haufen Lügen: auf der Al-Qaida-Lüge, die eine Zusammenarbeit des Irak mit Bin Laden behauptete; auf der A-, der B- und der C-Waffen-Lüge; auf der 45-Minuten-Lüge, also der Behauptung, Saddam könne binnen einer Dreiviertelstunde Massenvernichtungswaffen startklar machen. Die Biowaffen-Lüge über Saddams mobile Anthrax-Küchen, bei denen es sich allerdings um Wasserstofftanks für Wetterballons handelte, hat die US-Regierung sogar dem UN-Sicherheitsrat aufgetischt.

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Die Zerfallszeiten der Lüge

Zu Bush-Zeiten hatte die US-Regierung einen gigantischen Kommunikationsapparat dafür genutzt, einen Krieg mittels voraussehbar durchschaubarer Lügen zustimmungsfähig zu machen. Es zeigte sich aber, dass auch gewiefte Propaganda und ausgefeilte politische Beleuchtungstechnik ihre Grenzen haben und Unsinn nicht in Sinn verwandeln können. Der Fall Bush jun. könnte daher ein Beleg dafür sein, dass die Zerfallszeit der politischen Lüge kürzer wird, dass also die Lüge den Lügner immer schneller einholt; die Aufdeckung der Vietnamkriegs-Lügen hatte seinerzeit viel länger gedauert als später die der Bush-Lügen dauerte.

Gegen die These von der immer schnelleren Zerfallszeit der Lüge spricht allerdings die bisherige Erfahrung mit Donald Trump. Lügenthrone waren bisher immer wackelig - ändert sich das mit Trump? Sitzt der Mann stabil auf seinen Lügen? Es wäre gut, wenn sich herausstellen würde, dass der langfristige politische Schaden der Lüge womöglich größer ist als ihr kurzfristiger Nutzen - weil die Glaubwürdigkeit verloren geht und dies die eigene Macht schwächt. Ist das so? Ich wünsche es mir, aber sicher bin ich mir nicht mehr - seine Lügereien waren und sind Medienereignisse. Schon im Wahlkampf waren viele Medien geil darauf, so eine Person von allen Seiten zu präsentieren und zum Faszinosum aufzublasen. Heute ist Trump eines. Ihm seine Lügereien nachzuweisen, ist schon fast zu einem amüsanten Gesellschaftsspiel geworden. Der Aufschrei ist dem Kopfschütteln gewichen. Wird die Veralltäglichung, wird die Gewöhnung folgen? Wird man die Lügerei zur "Twittokratie" adeln?

Von Großsprecher zu Großsprecher

Der Lügner zeigt auf die, die ihn als Lügner kritisieren und zeiht diese der Lüge. Der Vorwurf der Lüge fliegt ununterbrochen hin und her. Wenn jeder auf jeden zeigt, wenn das Misstrauen der Bürger gegen alles und gegen jeden Auftrieb bekommt - dann wird eine giftige Saat gelegt. Angesichts der Omnipräsenz und der globalen Power der Lügereien könnte es so kommen, dass Lüge und Wahrheit so sehr ineinanderfließen, dass die Leute gar nichts und gar niemandem mehr glauben und sich von Großsprecher zu Großsprecher treiben lassen. Das wäre der GAU.

Pressefreiheit ist auch dafür da, diesen GAU zu verhindern. Das funktioniert aber nicht, wenn die Menschen der Presse, wenn sie den Medien so wenig trauen wie der Politik. Der makabre Fall des Journalisten Arkadi Babtschenko sät da gewaltiges Misstrauen. Der ukrainische Geheimdienst hat mit der vorgetäuschten Ermordung des Journalisten die Welt genarrt. Der Journalist Babtschenko hat bei dieser Täuschung offenbar willig mitgemacht. Es sollte so, angeblich, ein Mordkomplott der Russen aufgedeckt werden. Das alles ist äußerst dubios. Der Journalist und seine Arbeit sind nun Teil dieser Dubiosität. Das ist ein GAU für die Pressefreiheit.

Pressefreiheit braucht Journalisten, die neugierig, unbequem, urteilskräftig und integer sind. Nur ein solcher Journalismus wird das böse und falsche Wort von der Lügenpresse abschütteln.

Alle klagen über Trump. Aber einen gewissen Dank hat er sich verdient: Er hat den bequemen Glauben daran zerstört, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Kernstaaten der sogenannten freien Welt sich, und sei es auch langsam, quasi automatisch weiterentwickeln. Wir lernen: Nichts, gar nichts geht von selbst. Aufklärung ist nicht einmal vom Himmel gefallen und dann für immer da; in den USA nicht, in Frankreich nicht, in Deutschland auch nicht. Das Sichergeglaubte ist nicht sicher, weil Aufklärung nicht ein einmaliges Ereignis darstellt. Aufklärung ist immer, sie ist immer notwendig. Und die Pressefreiheit steht in ihrem Dienst; so jedenfalls sollte es sein.

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