Portugal:Erst der Aufstieg, dann der Skandal

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André Ventura, Chef der Chega-Partei, pflegt nach außen das Image des Saubermanns - und hat nun eine Affäre am Hals. (Foto: STRINGER/REUTERS)

Portugals heimlicher Wahlsieger ist die rechtspopulistische Chega-Partei. Nun bringt sie ein Essen in Bedrängnis: Abgeordnete sollen mitten im Lockdown 170 Menschen ins Restaurant geladen haben.

Von Karin Janker, Madrid

Der große Profiteur der vorgezogenen Neuwahl in Portugal ist die rechtspopulistische Chega-Partei: Sie ist künftig drittstärkste Kraft im Parlament in Lissabon - und das kaum drei Jahre nach ihrer Gründung. Der Aufstieg der Formation von Parteichef André Ventura, einem Anwalt und ehemaligen Sportkommentator, war kometenhaft. In der vergangenen Legislaturperiode hatte Chega gerade einmal einen Abgeordneten in der Assembleia da República, Ventura selbst. Künftig sind es zwölf, elf Männer und eine Frau. Und es sind nicht nur einzelne Regionen, in denen Chega Stimmen holte: Eine Analyse des Politikwissenschaftlers Antonio Luís Dias zeigt, dass sie fast in ganz Portugal auf dem dritten Platz landete - mit Ausnahme von Porto und dem ländlich geprägten Alentejo, der traditionellen Hochburg der Kommunisten.

André Ventura ist gekommen, um zu bleiben, daran lässt der 39-Jährige keinen Zweifel. Im vergangenen Frühjahr kandidierte er für das höchste Amt im Staat: Der Rechtspopulist wollte Präsident werden - und auch wenn sich Amtsinhaber Marcelo Rebelo de Sousa seiner Wiederwahl sicher sein konnte, holte Ventura doch beachtliche zwölf Prozent, auch hier ein dritter Platz. Chega, was wörtlich übersetzt "Es reicht" bedeutet, war zu diesem Zeitpunkt noch eine Ein-Mann-Show. Das ändert sich jetzt - und wird für die Rechtspopulisten zur Herausforderung. Denn während André Ventura zwar ein Gespür dafür besitzt, rassistische Stereotype zu reproduzieren und Stimmung gegen angeblich arbeitsscheue Minderheiten zu machen, so gibt er doch nach außen hin meist den Saubermann.

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Das scheint nicht unbedingt für die zweite Reihe zu gelten. Gleich mehrere neu gewählte Chega-Abgeordnete, die nun Ende Februar ihre Posten als Abgeordnete im Parlament von Lissabon antreten sollten, sehen sich Ermittlungsverfahren ausgesetzt. Zuletzt wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen die beiden neu gewählten Abgeordneten Filipe Melo und Rui Paulo Sousa wegen Missachtung von Corona-Maßnahmen ermittelt. Bei Verurteilung drohen ihnen bis zu zwei Jahre und acht Monate Haft. Auch Partei-Chef Ventura ist in die Affäre verstrickt, doch da er zum Zeitpunkt des Vorfalls bereits Abgeordneter war, müsste seine Immunität zunächst aufgehoben werden.

Es ist nicht der erste Zusammenstoß mit der Justiz

Die Angeklagten sollen im Januar vergangenen Jahres in der Stadt Braga eine Wahlkampf-Veranstaltung für Venturas Präsidentschaftskandidatur veranstaltet haben - mit 170 Teilnehmern in einem Restaurant, das wegen Corona geschlossen war. Der Januar 2021 war die dunkelste Phase der Corona-Pandemie für Portugal: Das Gesundheitssystem kollabierte, das Land musste andere Staaten um Hilfe bitten, die deutsche Bundeswehr schickte Material und Ärzte. Eben zu jenem Zeitpunkt 170 Chega-Unterstützer zum Abendessen zu versammeln, sei ihnen als wichtige politische und damit von den Corona-Regeln ausgenommene Aktivität erschienen, verteidigten sich die Politiker.

Für Felipe Melo, der für den Wahlkreis Braga ins Parlament gewählt wurde, ist es nicht der erste Zusammenstoß mit der Justiz: Im Dezember 2020 wurde er von seiner Parteifreundin Cibelli Pinheiro wegen rassistischer Diskriminierung angezeigt: Pinheiro, die aus Brasilien stammt, konkurrierte damals mit Melo um ein parteiinternes Amt. Melo schrieb in einem Facebook-Kommentar über sie: "Es wird keine Brasilianerin sein, die über die Geschicke einer nationalistischen Partei entscheidet (...) wir werden zeigen, welcher Rasse wir sind."

Derartige Ideologie ist in Chega-Kreisen weit verbreitet. Erst im Oktober wurde ein Chega-Gemeinderat im südportugiesischen Moura festgenommen, weil er nach Auffassung der Ermittlungsbehörden aus rassistischen Motiven eine Waffe auf einen schwarzen Familienvater abgefeuert haben soll. André Ventura äußerte sich damals in einer Videobotschaft, verurteilte jeglichen "Rassenhass" und versicherte, seine Partei richte sich nicht gegen Minderheiten. Es gehe ihm lediglich darum, dass Minderheiten die gleichen Regeln wie alle zu befolgen hätten. Nur für die eigenen Parteiveranstaltungen scheinen diese Regeln nicht zu gelten.

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