Polizisten und Soldaten:UN-Friedenseinsätze - Berlin hinkt seinen Versprechen hinterher

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Mit gutem Beispiel voran? Afghanische Sicherheitskräfte während ihrer Ausbildung durch die deutsche Polizei in Feyzabad. (Foto: AP)
  • Deutschland hat versprochen, sich im Rahmen der UN-Friedenseinsätze stärker zu engagieren.
  • Doch eine kleine Anfrage der Grünen legte offen: Berlin schafft es nicht, mehr als ein paar Dutzend Polizisten weltweit bereitzustellen.
  • Auch die Bundesländer bleiben weit hinter den Erwartungen zurück.

Von Stefan Braun, Berlin

Deutschland ist drauf und dran, sich international zu blamieren. Trotz hehrer Ankündigungen - zuletzt beim UN-Peacekeeping-Gipfel im September 2015 - sich im Rahmen der Friedenseinsätze der Vereinten Nationen mit Polizisten und Soldaten stärker zu engagieren, schafft es Berlin nicht, mehr als ein paar Dutzend Polizisten weltweit bereitzustellen. Mehr noch: Selbst bei den Missionen, für die Berlin konkret mehr Hilfe zusagte, hinkt die Regierung den Versprechen hinterher. Das ergibt sich aus einer Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion. Sie liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner, Nordafrika-Expertin ihrer Fraktion, kritisiert das mangelnde Engagement und verweist auf den großen Widerspruch zwischen Worten und Taten. In einer Zeit, in der die Zahl der Krisen weltweit steige und damit auch das Bedürfnis der Vereinten Nationen zunehme, mit internationalen Polizeimissionen Länder und Regionen zu stabilisieren, gelinge es Deutschland nicht, mehr als ein paar Polizisten für die Krisenprävention aufzubringen. "Außenminister Steinmeier spricht so gerne von der Übernahme internationaler Verantwortung", so Brantner, "hier muss die Regierung endlich zeigen, dass sie es ernst meint mit den eigenen Worten - und zwar rechtzeitig, nicht erst, wenn Konflikte schon ausgebrochen sind."

Nach aktuellem Stand sind derzeit genau 166 Polizisten des Bundes und der Länder weltweit im Einsatz. Dabei fehlen in vier von neunzehn Einsätzen noch immer komplett die zugesagten deutschen Polizisten; in weiteren fünf hat es Deutschland geschafft, genau einen einzigen Polizisten zu entsenden. Und noch eine Zahl sticht dabei ins Auge: Von den 166 sind genau 33 Polizisten unter dem Schirm der Vereinten Nationen unterwegs. Die übrigen arbeiten für Missionen der OSZE oder der EU.

Absurde Situationen im Einsatz

Verantwortlich für die miserable Entwicklung ist allerdings nicht nur die Bundesregierung. Auch die Bundesländer bleiben weit hinter den Erwartungen zurück. Trotz jahrelanger Verhandlungen und großer Versprechungen im schwarz-roten Koalitionsvertrag ist es noch immer nicht gelungen, in der eigens für solche Einsätze geschaffenen Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Internationale Polizeimissionen" eine Verständigung über Details solcher Einsätze zu erzielen. Das bedeutet: Es gibt zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern untereinander zum Teil sehr unterschiedliche Ausbildungsvoraussetzungen, aber auch Versicherungen für die in den Einsatz geschickten Beamten. Das hat in der Vergangenheit offenbar zu teilweise absurden Konsequenzen geführt.

Ein Beamter, der seit langem mit den Problemen vertraut ist, sagte der SZ, in manchen Einsätzen könne es passieren, dass Polizisten aus unterschiedlichen Bundesländern, die gemeinsam unterwegs sind, vorher absprechen, wer wie gut versichert ist - um danach die Rollen in dem Einsatz zu verteilen. Von den 166 Polizisten im internationalen Einsatz kommen 39 von der Bundespolizei, 118 aus den Ländern und neun vom Zoll.

Dabei ist die Zahl als solche schon klein, gemessen an den Lobeshymnen, mit denen deutsche Politiker die Vereinten Nationen vor allem dann bedenken, wenn sie in New York sind. So erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem "Leader's Summit on Peacekeeping" Ende September 2015, kaum etwas habe ein Engagement so verdient wie die UN-Friedenseinsätze. Sie müssten fit gemacht werden für die Zukunft. "Und Deutschland", versicherte Steinmeier, "ist fest entschlossen, den neuen UN-Aktionsplan umzusetzen."

China und Uruguay haben mehr Soldaten in UN-Einsätzen

Umso stärker fällt ins Gewicht, dass selbst die damals angekündigten und eigentlich beschlossenen Mini-Einsätze nur zur Hälfte in Gang kommen. Steinmeier hatte zwei Wochen nach dem New Yorker Gipfel in Briefen an Bundestagspräsident Norbert Lammert für vier UN-Missionen zusätzliche deutsche Polizisten versprochen. Bis heute aber ist nur in zwei Fällen daraus etwas geworden: Für die UN-Missionen im Südsudan und in Mali sind neun und neunzehn Polizisten entsandt worden; für Einsätze in Somalia und Haiti ist dagegen von den zugesagten 25 Polizisten noch kein einziger ausgewählt worden.

Nicht viel besser sieht es aus beim Blick auf deutsche Soldaten. Nur gut jeder siebte Soldat im Auslandseinsatz ist das unter dem Schirm der Vereinten Nationen; von den aktuell gut 3400 sind es knapp 500. Zum Vergleich: China sagte den Vereinten Nationen im vergangenen Herbst 8000 zusätzliche Soldaten zu und selbst das kleine Uruguay kündigte an, sein Kontingent von derzeit 1500 auf 3500 aufzustocken.

So bleibt Deutschland 26 Jahre nach dem Fall der Mauer vor allem das, was es vorher schon war: ein Geldgeber. Von den acht Milliarden US-Dollar, die die UN 2015 für Einsätze benötigte, übernahm Berlin immerhin 500 Millionen.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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