Bundespolitik:Vom Führen und Zusammenführen

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"Nicht die schnelle, laute Forderung setzt sich durch, sondern die durchdachte, ordentlich abgestimmte Idee": die Spitzen der Ampel (von rechs), Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne), Christian Lindner (FDP). (Foto: Bernd Elmenthaler/IMAGO)

Warum die Ampelkoalition den Wahlausgang in Berlin mit Argusaugen beobachtet.

Von Henrike Roßbach

Als der Kanzler am Mittwoch auf das Ende seiner Regierungserklärung im Bundestag zusteuerte, sagte er: "Die Erfahrung der vergangenen zwölf Monate zeigt: Nicht die schnelle, laute Forderung setzt sich durch, sondern die durchdachte, ordentlich abgestimmte und daher tragfähige Idee." Er bezog sich dabei auf die internationalen Debatten der vergangenen Zeit, von Panzerlieferungen bis Freihandelsabkommen. Allerdings ist keine übermenschliche Transferleistung notwendig, um diesen Satz von Olaf Scholz mal kurz auf die Ampelkoalition zu beziehen.

Dabei fällt dann auf, dass es schnelle und laute Forderungen reichlich gegeben hat im ersten rot-grün-gelben Jahr. Ordentlich abgestimmt dagegen waren die Ideen eher selten - und die Kompromisse am Ende keineswegs immer tragfähig. Tankrabatt, Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets, Panzer, Gasumlage, Atomkraft, Autobahnen, Mietrecht: Die Abstimmungsprozesse sind oft nicht nur quälend lang, sondern die Partner nutzen die Zeit auch noch, um sich gegenseitig zu quälen.

Und jetzt also die erste Landtagswahl im zweiten Ampeljahr. In Berlin wird die verkorkste Wahl vom Herbst 2021 wiederholt, und bei allen Eigenheiten der dortigen politischen Landschaft ist klar: Auch diese Wahl wird Auswirkungen haben auf die Statik der Bundes-Ampel.

Da wäre zum Beispiel die FDP, die in den Umfragen in Berlin derzeit knapp über der Fünf-Prozent-Hürde einsortiert ist. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte dem Tagesspiegel kürzlich: "Ich halte es für elementar, dass die FDP im Parlament als liberale Kraft für Ausgleich sorgt." Schon bei der vorangegangenen Wahl hätte sie lieber mit einer Ampel regiert als mit Grünen und Linken, ihr Landesverband aber war dagegen. Käme es dieses Mal zu einer Ampel, würde das der Bundesregierung gut in den Kram passen. Nach dem Motto: Seht her, unser Bündnis hat Beispielcharakter. Allerdings ist diese Konstellation eher unrealistisch. Der Berliner Landesverband der SPD ist linker als die SPD im Bund, die FDP schwächer, die Linke stärker.

Für die Grünen könnte es einen Dämpfer geben

Andersherum ist klar: Sollte die FDP am Einzug ins Abgeordnetenhaus scheitern, wäre es für die Partei die fünfte vergeigte Wahl hintereinander. Wie sich das auf das Bedürfnis der Liberalen nach Profilschärfung im Bund auswirken wird, können sich SPD und Grüne vermutlich schon lebhaft vorstellen. Mehr Ruhe jedenfalls bekäme Scholz dann nicht in sein Bündnis. Für ihn und die SPD wiederum wäre es überaus misslich, würde Giffey nur auf Platz drei landen (wonach es zuletzt allerdings eher nicht aussah). Dann nämlich wäre das Rote Rathaus futsch und die SPD um eine Ministerpräsidentin ärmer. Bei Platz zwei hinter der CDU hingegen wäre zumindest die Fortsetzung des alten Bündnisses möglich; CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner wäre dann zwar Wahlgewinner, hätte aber nichts davon. Für die Grünen allerdings wäre das ein Dämpfer nach den zwischenzeitlichen Höhenflügen im Bund.

In seiner Regierungserklärung diese Woche hat Scholz übrigens noch mit Blick auf Europa gesagt, es gehe ums "Führen durch Zusammenführen". Dafür dürfte ihm auch seine eigene Regierung noch reichlich Gelegenheit bieten - egal, wie Berlin ausgeht.

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