"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke:"Ein kollektives Trauma" - Monika Hauser über sexualisierte Gewalt im Krieg

"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke: Monika Hauser beschreibt die Folgen von sexualisierter Gewalt als "extreme Ängste, Depressionen, Suizid - alles, was auch Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung sind".

Monika Hauser beschreibt die Folgen von sexualisierter Gewalt als "extreme Ängste, Depressionen, Suizid - alles, was auch Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung sind".

(Foto: Henrik Nielsen/Bearbeitung: SZ)

Wieso kommt es in Kriegsgebieten immer wieder zu Vergewaltigungen? Wie kann man Frauen in der Ukraine jetzt unterstützen und wie lange wirken ihre Traumata nach? Folge 2 des neuen SZ-Podcasts "In aller Ruhe" mit Frauenrechtsexpertin Monika Hauser.

Podcast: Carolin Emcke und Text: Johannes Korsche

Die Kämpfe in der Ukraine sind nach einem Jahr noch immer in vollem Gange. Doch schon heute wissen wir, dass Frauen in besetzten Gebieten auch in diesem Krieg wieder sexualisierte Gewalt angetan wird, dass sie vergewaltigt werden. Auch wenn sich das volle Ausmaß erst noch zeigen wird.

Auf diese traurige Gewissheit blickt Carolin Emcke in dieser Folge von "In aller Ruhe". Gemeinsam mit Monika Hauser, die sich seit den Jugoslawienkriegen für traumatisierte Frauen einsetzt. Sexualisierte Gewalt betreffe zwar in erster Linie immer Individuen, aber sei nie nur ein individuelles Trauma, so Hauser. Sie betreffe immer das ganze Kollektiv, die ganze Gesellschaft.

Monika Hauser, 1959 in Thal, Schweiz, geboren, ist Gründerin der Frauenrechtsorganisation Medica mondiale und Fachärztin für Gynäkologie. Für ihr Engagement hat sie 2008 den Alternativen Nobelpreis erhalten. Das deutsche Bundesverdienstkreuz hat sie 1996 abgelehnt, um gegen die Resolution des deutschen Innenministeriums zur Ausweisung bosnischer Flüchtlinge zu protestieren.

Sexualisierte Gewalt bekam sie schon früh mit, als junges Mädchen: "Meine Südtiroler Großmutter hat mir von eigenen Gewalterfahrungen erzählt." Da sei für sie sehr früh klar gewesen, "dass sexualisierte Gewalt zum Frauenleben dazugehört. Und dass das etwas ist, was ich nicht akzeptieren konnte."

"Diese Verachtung, die den Frauen entgegengebracht wird, führt zur täglichen Retraumatisierung"

Frauen, die den Krieg überlebt haben, aber durch sexualisierte Gewalt traumatisiert sind, leiden oft noch lange darunter: "Wir sehen, dass es Langzeitfolgen gerade bei sexualisierter Gewalt gibt: extreme Ängste, Depressionen, Suizidgefühle. Alles auch Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung." Es können sich "aber auch psychosomatische Erkrankungen wie zum Beispiel chronische Unterleibsschmerzen" entwickeln. Retraumatisierend wirkt oft auch der Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft: "Diese Stigmatisierung, diese Ausgrenzung, diese Verachtung, die den Frauen entgegengebracht wird", sagt Hauser.

Die Empfehlung von Monika Hauser

"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke: Der Roman von Taiye Selasi: "Diese Dinge geschehen nicht einfach so."

Der Roman von Taiye Selasi: "Diese Dinge geschehen nicht einfach so."

(Foto: Fischer Verlag)

Monika Hauser empfiehlt "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" von Taiye Selasi, erschienen im Fischer-Verlag. Der Roman erzählt die Geschichte einer über die Welt verstreuten Familie. Die Familienmitglieder wohnen in London, Accra in Ghana und New York. Bis der Vater in Afrika stirbt. Nach vielen Jahren sehen sie sich auf diese Weise wieder. Für Monika Hauser ist es eine Geschichte, in der es um "das Leben nach der Traumatisierung und nach dem Krieg geht". Ein Thema, das auch für die deutsche Nachkriegsgesellschaft relevant war und ist. "Wir nehmen uns viel zu wenig Zeit, auf diese Zusammenhänge zu schauen."

Redaktionelle Betreuung dieser Folge: Sabrina Höbel, Johannes Korsche, Vitus-Vinzent Leitgeb

Produktion und Sounddesign: Justin Patchett

Text zur Folge: Johannes Korsche

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