Pläne der Koalition:Schäuble sieht kaum Spielraum für Steuersenkungen

Lesezeit: 2 min

"Etwas unglücklich über die öffentliche Debatte": Für ihre Steuersenkungs-Pläne bekommt die Regierung Merkel Schelte von allen Seiten - jetzt kritisiert auch der Finanzminister selbst die Idee und warnt vor überzogenen Erwartungen: Viel Spielraum für Entlastungen der Bürger gebe es nicht.

Angesichts der starken Konjunkturentwicklung hat die Kanzlerin eine steuerliche Entlastung der Bürger noch vor der nächsten Bundestagswahl in Aussicht gestellt - doch jetzt warnt ihr eigener Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor überzogenen Erwartungen. Ansonsten werde es zu "großen Enttäuschungen" kommen, sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Es gebe keine großen Spielräume für Steuersenkungen. "Die haben wir nicht, auch weil wir in der Koalition verabredet haben, dass die Haushaltskonsolidierung Vorrang hat", sagte Schäuble.

In der Debatte um Steuersenkungen warnt Finanzminister Wolfgang Schäuble vor überzogenen Erwartungen. (Foto: dpa)

Steuersenkungen mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro hält der Minister für unrealistisch. Zu entsprechenden Äußerungen in der Koalition sagte er, er rate allen, "keine Debatten zu führen, die große Erwartungen wecken und hinterher zu großen Enttäuschungen führen". Deutschland stehe vor enormen Aufgaben, erklärte Schäuble. "Die Energiewende wird zu Mehrausgaben führen, für den europäischen Stabilitätsmechanismus müssen wir ab 2013 Leistungen bereitstellen", sagte er.

Der Spiegel berichtete am Wochenende, die Bundesregierung plane Steuerentlastungen von maximal sieben Milliarden Euro. Diese Summe habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Pfingsten festgelegt, berichtete das Nachrichtenmagazin. Die Bundesregierung dementierte dies. "Es gibt noch keine Festlegung auf Art oder Umfang der für diese Legislaturperiode ins Auge gefassten Steuererleichterung für kleine und mittlere Einkommen", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Die FDP brachte dagegen am Samstag eine Summe von neun Milliarden Euro ins Spiel. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte dem Tagesspiegel am Sonntag, im Vergleich zum Vorjahr habe der Staat 18 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Fast die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen, also knapp neun Milliarden Euro, gingen auf die kalte Progression zurück. In den Beratungen der Koalition über Steuersenkungen gehe es daher "um eine Entlastung in etwa dieser Größenordnung". Konkret gehe es um einen Mix verschiedener Maßnahmen, sagte Lindner weiter: Den Verlauf des Steuertarifs, den Grundfreibetrag - also das Existenzminimum - und den Solidaritätszuschlag.

Bei der kalten Progression handelt es sich um den Effekt, dass Arbeitnehmer bei Lohnerhöhungen in eine höhere Steuerstufe rutschen können und dann prozentual stärker besteuert werden. Belastet werden vor allem kleine und mittlere Einkommen. Schäuble hatte sich offen für Gespräche über eine Beseitigung der kalten Progression gezeigt.

Kritik an den geplanten Steuersenkungen

Unterstützung erhält Schäuble in seinem Beharren auf die Haushaltsdisziplin ausgerechnet aus der Opposition: Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir erklärte am Rande des Grünen-Parteitags in Berlin, Schäuble sei "wie so oft quasi der Lichtblick in dieser Regierung:" Es sei "nachgerade absurd, dass wir den Griechen Disziplin verordnen und sagen, sie müssen ihre Haushaltsbilanz in den Griff bekommen, und wir selber machen neue Schulden."

Kritik an den geplanten Steuersenkungen gab es auch von Seiten des Bundesverbands deutscher Banken. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung zufolge, angesichts der Höhe der öffentlichen Schulden und des Haushaltsdefizits sei diese Debatte verfrüht.

Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte die von der Bundesregierung avisierten Steuersenkungen scharf. "Die Regierung plant einen glatten Verfassungsbruch", sagte Gabriel der Welt am Sonntag. "Daran werden wir uns mit Sicherheit nicht beteiligen." Die SPD werde entsprechende Steuersenkungsvorhaben im Bundesrat blockieren. Bundeskanzlerin Merkel warf er vor, statt an morgen zu denken, versuche sie, "nur die Schwindsucht ihres Koalitionspartners aufzuhalten".

© sueddeutsche.de/Reuters/dpa/dapd/aho/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: