Piratenpartei in Frankreich:Mittellos, kompromisslos, chancenlos

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Mit Rückenwind aus Deutschland: Bei der Wahl zur französischen Nationalversammlung tritt zum ersten Mal auch die Piratenpartei an. Von einem Erfolg wie bei ihren Nachbarn kann sie allerdings nur träumen.

Lilith Volkert

Nicolas Sarkozy hat sie unfreiwillig ins Leben geschubst. Als der vor kurzem abgewählte französische Präsident 2009 die Anti-Piraterie-Behörde Hadopi einführte, trug er dazu bei, dass sich eine Gruppe, die seit Jahren in Foren über die Freiheit im Internet diskutierte, als Partei zusammenfand. Auf der Welle der Empörung über Sarkozys Vorhaben machte die französische Piratenpartei ihre ersten Schwimmversuche.

Seit drei Jahren wacht die Behörde Hadopi ( Haute Autorité pour la Diffusion des Œuvres et la Protechtion des Droits sur Internet) inzwischen über die französischen Internetnutzer. Wer beim illegalen Download erwischt wird, dem kann die Internetverbindung gekappt werden. Tatsächlich geschieht dies nur in wenigen Fällen. Doch der Protest hält auch unter dem neuen Präsidenten Hollande an, zu den Hauptkritikern gehört nach wie die Parti Pirate.

Wie die deutsche und die schwedische Schwesterpartei setzen sich die französischen Piraten für eine Reform des Urheberrechts und mehr Transparenz in der Politik ein, außerdem fordert sie eine unabhängigere Justiz und ein Gesetz gegen Ämterhäufung. Jetzt treten sie unter dem Slogan "Weder links noch rechts, sondern vorne" bei der Wahl zur Nationalversammlung an diesem und dem kommenden Sonntag an. Die meisten der landesweit 101 Kandidaten kommen aus dem Großraum Paris oder Lyon, aus dem Elsass oder der südfranzösischen Region Midi-Pyrénées.

Diese Zahl täuscht über eine Schwäche der Partei hinweg: Auch wenn auf ihrer Seite mehr als 2500 eingetragene Forumsmitglieder diskutieren und sie 19.000 Follower auf Twitter zählt, so hat sie erst 584 zahlende Mitglieder (Stand: 8.6.2012). Dabei liegt der Jahresbeitrag bei lediglich zehn Euro im Jahr, Studenten und Bedürftige zahlen sogar nur einen Euro. Die meisten geben aber freiwillig mehr, betont Maxime Rouquet, einer der beiden Vorsitzenden, im Gespräch mit Süddeutsche.de. Trotzdem tut sich die Partei schwer, den Wahlkampf zu finanzieren. Viele Kandidaten zahlen ihre Kampagne aus eigener Tasche, außerdem verzichtet man weitgehend auf Plakate und Flugblätter und beschränkt sich auf günstige Alternativen im Internet.

Als Logo verwenden "les pirates" dieselbe P-förmige Fahne wie in Deutschland, farblich hält man sich aber an lila und hellgrün - die Farbe orange ist schon von der Zentrumspartei Mouvement Démocrate besetzt. Auch Slogans und Mitgliederstruktur ähneln denen der deutschen Kollegen: "Warum hänge ich hier eigentlich rum? Sie gehen ja eh nicht wählen" heißt es auf einem Banner auf partipirates.org. Und auch in Frankreich sind die meisten Mitglieder technikaffine Männer um die 30.

Dass die Kollegen in Deutschland so großen Erfolg haben - im letzten Jahr sind sie in vier Länderparlamente eingezogen -, gibt auch den französischen Piraten Rückenwind. Viele Franzosen haben sogar oft erst vom Erfolg der Deutschen gehört und erfahren dann, dass die Partei auch in Frankreich aktiv sei, sagt der 26-jährige Vorsitzende. "Außerdem zeigt uns der Erfolg der deutschen Piraten, dass unsere Themen viele Menschen betreffen."

Nicht mal als Protestpartei haben die Piraten große Chancen

Dass die Franzosen demnächst an den Erfolg der Deutschen anknüpfen, darf trotzdem als sehr unwahrscheinlich gelten. Das liegt vor allem an dem in Frankreich geltenden Mehrheitswahlrecht: Jeder Wahlkreis schickt nur den Kandidaten mit den meisten Stimmen ins Parlament, Listenplätze wie in Deutschland gibt es nicht. Zwar wird seit längerem darüber diskutiert, Elemente des Verhältniswahlrecht einzuführen, umgesetzt wurde das bislang aber nicht. Keine der großen Parteien hat großes Interesse an einer Änderung des Status Quo.

"Unser Ziel ist nicht, dass wir gewählt werden, sondern dass wir unsere Ideen und Forderungen bekannt machen", sagt Rouquet. Dass die Piratenpartei über Themen wie das Urheberrecht diskutierte, habe auch den Diskurs der anderen Parteien beeinflusst. Rouquet trat vor drei Jahren als erster Kandidat der Parti Pirate an. Bei der Wahl eines Nachfolgers für eine ausscheidende Abgeordnete im westlich von Paris gelegenen Département Yvelines holte er 2,1 Prozent.

Parteichef Rouquet gibt sich betont kompromisslos: "Wir werden kein Bündnis mit einer anderen Partei eingehen, wenn wir dafür einen Teil unserer Ziele aufgeben müssen", sagt er. Nur mit einer Partei, die sich mit den Werten der Piraten identifiziere, sei eine Zusammenarbeit möglich. Doch dafür kämen gerade weder Sozialisten noch Gaullisten in Frage. Kleine Parteien haben in Frankreich nur dann eine Chance, wenn sie sich mit einer der beiden etablierten Parteien verbünden.

Auch als Protestpartei werden die Piraten keinen Stich machen. Sowohl am linken wie auch am rechten Rand gibt es ausreichend Gruppierungen, mit deren Wahl die Franzosen ihren Unmut ausdrücken können. Trotzdem fasst die Parti Pirate schon die nächsten große Ziele ins Auge. In zwei Jahren will sie bei den Kommunal- und den Europawahlen antreten - auch wenn sie dann immernoch mittellos, kompromislos und chancenlos ist.

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