Slowakei:Prorussischer Kandidat Pellegrini gewinnt Präsidentschaftswahl

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Pellegrini sagte, er werde "die Regierung unterstützen im Bemühen, das Leben der Menschen in der Slowakei zu verbessern". (Foto: Radovan Stoklasa/REUTERS)

Überraschend klar entscheidet der Kandidat von Regierungschef Robert Fico die Stichwahl für sich. Der ehemalige Ministerpräsident Heger kommentiert: "Die Lügen haben gewirkt."

Von Viktoria Großmann, Bratislava

Peter Pellegrini wird neuer Präsident der Slowakei. Damit hat die Regierung von Robert Fico ihr Ziel erreicht und ihren Kandidaten zum Sieg geführt. Der 48-jährige Sozialdemokrat konnte von einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung profitieren. Herausforderer Ivan Korčok, der überraschend den ersten Wahlgang gewonnen hatte, unterlag in der Stichwahl am Samstag deutlich. Pellegrini erreichte 53 Prozent der Wählerstimmen, Korčok 47 Prozent.

Der 60-jährige frühere Botschafter und ehemalige Außenminister Korčok war angetreten, um der Regierung, die aus Linkspopulisten und Rechtsnationalisten besteht, entgegenzutreten. Er wollte den Kurs der liberalen, europafreundlichen Präsidentin Zuzana Čaputová fortführen und sich den autokratischen Tendenzen der Fico-Regierung widersetzen. Von Pellegrini hingegen wird erwartet, dass er die Pläne der Regierung unterstützt oder sich ihnen jedenfalls nicht in den Weg stellt.

Pellegrinis deutlicher Sieg kommt überraschend, alle Prognosen hatten ein enges Rennen vorhergesagt. Allerdings lagen die Umfragen der slowakischen Meinungsforschungsinstitute schon bei der Parlamentswahl im vergangenen September daneben. Beide Kandidaten hatten mehr als eine Million Wähler mobilisieren können, mit 61 Prozent lag die Wahlbeteiligung auf Rekordniveau. So erhielt Korčok zwar 120 000 Stimmen mehr als Čaputová im März 2019 und verlor dennoch. Prozentual hat Pellegrini sogar das schlechteste Ergebnis, mit dem je ein Präsident in der Slowakei gewonnen hat - und dennoch in absoluten Zahlen das zweitstärkste Mandat, seitdem 1999 erstmals der Präsident direkt gewählt wurde.

Das zeigt, wie gespalten die öffentliche Meinung ist und wie emotional die politische Debatte geführt wird. Korčok war der Kandidat derer, die seit Dezember regelmäßig im ganzen Land gegen Fico und seine Regierung demonstrierten. Zuerst gegen die Strafrechtsreform, dann gegen die Kulturministerin, für freie Medien und für die Unterstützung der Ukraine. Unterstützt wurde Korčok von drei Oppositionsparteien, einer sozial-liberalen, einer wirtschaftsliberalen und einer christlich-konservativen. Pellegrini hingegen hatte sogar im eigenen Lager Schwierigkeiten. Ministerpräsident Robert Fico war anzumerken, dass er nicht aus persönlicher Sympathie und Überzeugung hinter Pellegrini steht, sondern aus Pragmatismus. Zudem wurde Pellegrini aus dem nationalistisch-rechten Lager heftig angegriffen.

Es schadete ihm letztlich nicht. Vor allem mit der Erzählung, Korčok werde gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron oder Bundeskanzler Olaf Scholz beschließen, slowakische Soldaten an die ukrainische Front zu schicken, gewann Pellegrini offenbar Stimmen.

"Die Lügen haben gewirkt", sagte der ehemalige Ministerpräsident Eduard Heger am Wahlabend der SZ. "Wir müssen den Menschen wieder beibringen, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden." Ebenfalls mit Lügen habe Pellegrini auch die ungarische Minderheit in der Slowakei dazu gebracht, für ihn zu stimmen. Es habe gereicht, diesen einzureden, dass sein Gegenkandidat nichts für sie übrig habe.

Pellegrini: "Die Slowakei muss auf der Seite des Friedens stehen."

Als er schließlich kurz nach Mitternacht seine Niederlage eingestand, sagte Korčok: "Angst verbreiten jene, die Angst vor den Wählern haben." Er gratulierte Pellegrini zu dessen Sieg und wünschte ihm, dass er "ein unabhängiger Präsident" werde, der "ohne Weisungen und im Einklang mit der Verfassung" handele.

Pellegrini sagte, er werde "die Regierung unterstützen im Bemühen, das Leben der Menschen in der Slowakei zu verbessern". Außerdem fügte er an, die Slowakei müsse "auf der Seite des Friedens stehen und nicht des Krieges - das soll kritisieren, wer will". Ministerpräsident Robert Fico lobte das Ergebnis und erklärte, das stärke die Regierung, die auf jeden Fall ihre Amtszeit bis 2027 ausfüllen werde.

Als Ivan Korčok nach Mitternacht den Ort seiner Wahlparty im Zentrum Bratislavas verließ, blickte er in die enttäuschten Gesichter Dutzender junger Frauen und Männer. "Wir trauern hier", sagt eine zierliche Frau mit langen Locken, die mit fünf Freunden in einer Gruppe zusammensteht. Ist Korčok nicht irgendwie zu alt für Leute mit Mitte, Ende 20, die am Anfang ihres Berufslebens stehen? Aber nein, sagt ein blonder Brillenträger aus der Gruppe. "Es geht doch um seine Ansichten. Er hat eine jugendliche Art."

Ein Stück weiter sitzen zwei junge Frauen auf einer Bank und rauchen. Sie arbeiten in einer Behörde, auch sie sind vom Ergebnis überrascht. Pellegrinis Erzählungen über slowakische Soldaten an der ukrainischen Front hätten verfangen, sagt die eine, rote Locken, violettfarbige Brille. Außerdem sei Korčok für viele Jüngere zu konservativ, habe aus deren Sicht nicht deutlich genug Israel kritisiert. Die seien dann gar nicht zur Wahl gegangen. Aber mit diesem Ergebnis könne man nun auch nicht zufrieden sein, findet ihre Freundin: "Immerhin haben wir noch die Europawahlen."

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