Mit seinem ersten Fernseh-Interview an diesem Dienstagabend hat der österreichische Innenminister Wolfgang Peschorn für Aufsehen gesorgt. Der Beamte, der das Amt übergangsweise bis zur Parlamentswahl Ende September bekleidet, kanzelte in der ORF-Sendung "ZiB2" Kritik an seiner Person und seinen Mitarbeitern ab. Ausdrücklich stellte sich der Minister vor die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die die Hintergründe des "Ibiza-Videos" aufklären soll.
Neue Befangenheitsvorwürfe am Ermittlerteam der "Soko Ibiza" waren wenige Stunden vor Peschorns TV-Auftritt durch den Abgeordneten Peter Pilz (Jetzt - Liste Pilz) laut geworden. Dieser hatte auch die Identität einiger Ermittler öffentlich gemacht, was wiederum der Minister kritisierte. Die Nennung der Namen des Ermittlerteams gefährde nicht nur die Ermittlungen, sondern "wahrscheinlich auch das Leben dieser Menschen".
Peschorn zufolge hätten zwei Personen des 14-köpfigen Ermittlerteams für die konservative Volkspartei (ÖVP) ein Gemeinderatsmandat innegehabt. Sie hätten "also auf niederer Schwelle politische Funktionen wahrgenommen", sagte Peschorn. "Das begründet keine Befangenheit."
Meinung Zwist in der FPÖ:Ein Poltergeist namens Strache
Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache lässt seine FPÖ nicht zur Ruhe kommen. Spätestens nach der Wahl im September könnte der Konflikt eskalieren.
Der Minister verwies auf "viele Sachverhalte" der Causa Ibiza, die rechtfertigten, dass man Spezialisten aus allen Bereichen der Polizei zusammengezogen habe. Es gebe auch "nachrichtendienstliche Ermittlungsstränge". Eine Involvierung des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in den Fall Ibiza vor der Veröffentlichung des Videos verneinte der Minister nach den "mir derzeit vorliegenden Informationen".
Peschorn nannte die Causa Ibiza-Video "wahnsinnig groß", es sei "wahrscheinlich auch einer der spannendsten Kriminalfälle" der seit 1945 bestehenden Zweiten Republik.
Kritiker, die während der laufenden Ermittlungen mit "unzureichenden Ermittlungen Schlüsse ziehen" müsse man ins Stammbuch schreiben: "Abwarten und am Ende darüber entscheiden."
"Ich habe viele Netzwerke entdeckt, schwarze, blaue, vielleicht auch andere"
Vorwürfe seines der radikal rechten FPÖ angehörenden Vorgängers Herbert Kickl wies der Innenminister ebenfalls zurück. Kickl hatte Peschorn bezichtigt, sich von der ÖVP von Ex-Kanzler Sebastian Kurz "steuern" zu lassen. "Er sollte es besser wissen", sagte Peschorn und verwies auf seine zurückliegenden Aufklärungsarbeiten als Beamter der Finanzprokuratur, mit der er auch der ÖVP "oft sehr unangenehm" gewesen sei.
"Mein einziges Interesse, dem ich diene, ist das Interesse des Steuerzahlers und der Steuerzahlerinnen in Österreich." Er habe "unbeugsam" im Interesse der Republik gehandelt. Peschorn verneinte die Frage seines ORF-Interviewers Armin Wolf, ob er jemals Mitglied einer Partei gewesen sei.
Er habe viele Netzwerke entdeckt, so Peschorn, "schwarze, blaue, vielleicht auch andere". Ein Netzwerk, das ihn Zeit seines Berufsleben begleite, sei eines aus "Beratern und Interessen". Es sei "immer ein Problem, wenn die Loyalitäten nicht beim Dienstgeber sind, in diesem Fall bei der Republik Österreich, sondern man sich an anderen Interessen orientiert".
Mit Blick auf Kickl sagte Peschorn: Seine Vorgänger "haben relativ viel Zeit gehabt, diese Netzwerke, die Sie nun meinen, entdeckt zu haben, öffentlich zu machen und auch diese Netzwerke zu beseitigen".
Das Ibiza-Video dokumentiert, wie sich der langjährige FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache auf der spanischen Ferieninsel 2017 offen zeigte für dubiose Spendenpraktiken und korruptionsverdächtige Deals mit einer angeblich schwerreichen Russin. Doch der Rechtspopulist wurde reingelegt, es handelte sich um eine Falle, alles wurde auf Video aufgezeichnet.
Die Aufnahmen wurden der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel zugespielt, die wesentliche Inhalte am 17. Mai 2019 veröffentlichten. Darauf folgten der Rücktritt des damaligen Vizekanzlers Strache (FPÖ), der Sturz von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie die Ausrufung von Neuwahlen am 29. September. Bundespräsident Alexander Van der Bellen berief darauf die Höchstrichterin Brigitte Bierlein zur Interims-Bundeskanzlerin, in deren Kabinett Peschorn das Innenressort leitet.
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