Parteien:Wer führt künftig die SPD? Drei Kandidatenduos sind am Start

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Raed Saleh, Landesvorsitzender der SPD Berlin, spricht beim Landesparteitag der Berliner SPD. (Foto: Monika Skolimowska/dpa/Archivbild)

Die Berliner SPD wählt im Mai eine neue Doppelspitze. Zwei Kandidatenduos waren schon bekannt, ein drittes ist dazugekommen. Der bisherige Landeschef ist mit dabei. Es könnte spannend werden.

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Berlin (dpa/bb) - Zwei waren schon bekannt, nun ist noch ein weiteres Kandidatenduo für den Vorsitz der Berliner SPD dazugekommen. Der bisherige SPD-Parteivorsitzende Raed Saleh kündigte am Donnerstag an, sich erneut um den Spitzenposten zu bewerben - gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann aus Marzahn-Hellersdorf. Beide präsentierten sich vor Journalisten als selbstbewusstes Bewerberteam: „Wir sind die Lösung auf die Fragen, die die SPD beschäftigt“, sagte Lehmann. „Eine starke SPD braucht eine starke Führung, deshalb haben wir miteinander vereinbart zu kandidieren. Wir denken, dass wir mitbringen, was die Berliner SPD jetzt braucht.“

Beide wollen das Thema soziale Gerechtigkeit, beide setzen sich für gebührenfreie Bildung ein. Die eigentliche Spaltung in der Gesellschaft sei die zwischen Arm und Reich, sagte Saleh. „Ich will keine weitere Gentrifizierungswelle.“ Die gemeinsame Kandidatur basiere auf Vertrauen - und auf Gegensätzen. Auch Lehmann wies auf die Unterschiede zwischen beiden hin: Sie kommt aus Marzahn-Hellersdorf im Osten, er aus Spandau im Westen Berlins, sie ist erst 27, er bereits 46, sie hat Erfahrung in der Kommunalpolitik, er auf der Landesebene. „Wir vereinen viel“, so die Ärztin. „Diese Kombination ist unsere Stärke.“

Lehmann, nach eigenen Angaben bei den Jusos aktiv, seit sie 13 ist, betonte, sie sehe es als ihre Aufgabe, linke Inhalte noch stärker einzubringen. Sie sei entschiedene Gegnerin der Koalition mit der CDU gewesen, sie fortzuführen sei derzeit aber der einzig vernünftige Weg. Gleichzeitig kündigte sie an, keine weiteren konservativen Bündnisse anstreben zu wollen.

In der Vorwoche hatten Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ihr Interesse an der Führung des Landesverbands angekündigt. Am vergangenen Montag folgten der stellvertretende Landesvorsitzende Kian Niroomand und die Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Jana Bertels.

Die Wahl des neuen SPD-Parteivorstands ist auf einem Parteitag Ende Mai geplant. Denkbar ist, dass die SPD eine Mitgliederbefragung vorschaltet und es eine Art Wahlkampf zwischen den Bewerberduos mit diversen Veranstaltungen an der Parteibasis gibt. So hatte es auch die Bundes-SPD 2019 gehalten. Entschieden ist dazu in der Berliner SPD noch nichts.

Momentan wird die Berliner SPD von Saleh und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey geführt. Giffey, bis April 2023 Regierende Bürgermeisterin, hat erklärt, nicht wieder anzutreten. Hintergrund: Im Mai 2023 hatten die Delegierten eines SPD-Landesparteitags beschlossen, dass die Doppelspitze künftig „nicht vollständig“ aus Menschen bestehen soll, die gleichzeitig maßgeblich die Regierung tragen.

Die anderen beiden Duos hatten sich bei der Ankündigung ihrer Kandidatur kritisch zur aktuellen SPD-Politik und zum Wirken der bisherigen Führungsriege geäußert. „Die SPD Berlin braucht einen Neustart“, forderten Niroomand (33) und Bertels (35). „Es ist Zeit wegzukommen von der Kultur des unbedingten Machterhalts und der fehlenden Verantwortungsübernahme der letzten Jahre.“

Hikel (37) und Böcker-Giannini (49) gingen auf Distanz zum Konzept der bezahlbaren Stadt, für das Saleh sich starkmacht und zu dem etwa gebührenfreie Kitas oder die kostenfreie ÖPNV-Nutzung für Schülerinnen und Schüler gehören.

Für Saleh geht es um einiges: Kaum ein anderer ist in der Landes-SPD so lange wie er an zentraler Stelle aktiv, von allen bisher bekannten Bewerbern steht seine Person am wenigsten für einen Neuanfang in der Partei. Schon seit 2008 gehört er dem Landesvorstand an, seit 2011 ist er Fraktionschef, seit November 2020 Parteivorsitzender mit Giffey.

Er gilt als der starke Mann der SPD, hat aber einige Rückschläge verkraften müssen: Beim Parteitag im Juni 2022 bekam er nur 57 Prozent der Stimmen. Bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023 verlor er sein Direktmandat in Spandau. Und die SPD fuhr das historisch schlechte Ergebnis von 18,4 Prozent ein.

Bei den Sondierungsgesprächen soll er zum kleinen Kreis derer gehört haben, die auf eine Koalition mit der CDU gedrängt haben. Beliebt gemacht hat er sich in der Partei damit nicht. Bei einer Mitgliederbefragung gab es nur eine knappe Mehrheit für diese Koalition.

Vor diesem Hintergrund dürfte die Entscheidung über die neue Parteispitze in jedem Fall spannend werden. Gegen Saleh - und Giffey - hatten sich damals nicht nur die Jusos positioniert, sondern auch mehrere Kreisverbände. Niroomand als SPD-Kreisvorsitzender in Charlottenburg-Wilmersdorf, der zu den Parteilinken zählt, hatte öffentlich gegen Schwarz-Rot und für die Oppositionsrolle plädiert.

Bei der Frage, wer die neuen Landesvorsitzenden werden, geht es deshalb auch darum, wie die SPD den Niedergang der einst gerade in Berlin starken Volkspartei stoppen soll. Bei der Teilwiederholung der Bundestagswahl in Berlin am vergangenen Sonntag schnitt die SPD ebenfalls schlecht ab.

In der Partei besorgt das Zweitstimmenergebnis von nur 14,6 Prozent viele Genossen. Immerhin ist das in den fraglichen Wahlbezirken ein Minus von 7,8 Prozent. Die Frage ist: Wie kann der Negativtrend gestoppt werden? Am 9. Juni steht mit der Europawahl bereits der nächste Wahlgang an.

© dpa-infocom, dpa:240215-99-999501/4

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