Wiederholungswahl:CDU-Chef Merz attestiert Berlin „miserable Führung“

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Dass der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz zum Wahlkampf ausgerechnet nach Berlin-Neukölln kam, stieß so manchem sauer auf - auch der Regierenden Bürgermeisterin. Die CDU ließ sich aber davon nicht beirren.

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Berlin (dpa/bb) - Gut zwei Wochen vor der Wiederholungswahl in Berlin hat der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz den rot-grün-roten Senat scharf attackiert. Die Menschen in Deutschland nähmen die Hauptstadt wahr als eine Stadt, die weder einen Flughafen bauen noch Wahlen organisieren könne, sagte er am Freitagabend bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Berlin-Neukölln.

„Sie nehmen die Nachrichten wahr, dass in dieser Stadt Polizeibeamte, Hilfskräfte, Feuerwehrleute, Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter behandelt werden wie wirklich der Abschaum“, fügte er mit Blick auf Silvester-Krawalle mit Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute hinzu. Und niemand in der Politik wolle dafür die Verantwortung übernehmen.

Schuld an diesem Bild seien nicht die Stadt und ihre Menschen, meinte Merz. „Es ist die miserable Führung dieser Stadt, die diese Bilder auslöst.“ Das müsse sich nach der Wahl ändern. Berlin müsse wieder funktionieren, damit die Menschen wieder stolz auf die Hauptstadt sein könnten. „Wir wollen gemeinsam dafür kämpfen, dass am 12. Februar in Berlin ein neuer Senat gewählt wird.“

Der Wahlkampfauftritt in Neukölln war gerade im Zusammenhang mit den Silvester-Krawallen, die sich zum Teil in diesem Stadtbezirk abgespielt hatten, mit Spannung erwartet worden. Da ein Teil der Täter Migrationshintergrund hat, hatte Merz Probleme bei der Integration junger Menschen konstatiert. Es fange schon in der Grundschule an, wo Väter sich beschwerten, wenn Lehrkräfte ihre Söhne, „die kleinen Paschas“, mal zur Ordnung riefen. Die Äußerung hatte viel Kritik ausgelöst.

Während der Merz-Rede bei der von großen Sicherheitsvorkehrungen begleiteten Wahlkampfveranstaltung rief ein junger Mann „rassistischer Scheiß“. Dann verließen er und etwa ein Dutzend weitere Zuhörer den laut CDU mit etwa 450 Besuchern nahezu voll besetzten Saal im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt. Vor dem Gebäude hatten vor Beginn einige wenige Demonstranten gegen die CDU protestiert.

Merz sagte, Probleme müssten klar benannt werden, um an ihrer Lösung arbeiten zu können. „Wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt“, forderte er. Und dieser werde „nicht allein aus (...) Biodeutschen zu ermöglichen sein.“ Er werde nur möglich, „wenn diejenigen, die seit Jahrzehnten zu uns kommen, daran mitwirken und Teil dieses Zusammengehörigkeitsgefühls sind.“ Schließlich hätten Millionen von Einwanderern hier längst eine Heimat gefunden.

„Diejenigen, die in solchen Nächten Rabatz machen, die zerstören doch mehr als nur ein paar Autos, da geht doch auch ein Lebensgefühl verloren“, so Merz. „Da geht das Gefühl verloren, dass wir etwas hinbekommen können an Integration.“

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sagte: „Wer glaubt, das war ein Problem der Silvesternacht, der irrt. Wir haben in unserer Stadt ein Gewaltproblem 365 Tage im Jahr. Wir haben ein Gewaltproblem von rechts, wir haben ein Gewaltprobleme von links und ja, wir haben auch ein Gewaltproblem mit jungen Männern mit Migrationshintergrund.“ Als Gegenstrategien schlug er eine starke Polizei und Justiz, Prävention und Bildung vor.

Berlins Regierende Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende Franziska Giffey kritisierte den Auftritt von Merz schon einige Stunden zuvor als populistisch. „Erst die schrecklichen Ereignisse an Silvester für den eigenen Wahlkampf instrumentalisieren, dann die Menschen in Berlin nach Vornamen in Schubladen stecken wollen und jetzt ausgerechnet in Neukölln einen Wahlkampftermin inszenieren.“ Die Masche der CDU sei bekannt, so Giffey. „Erst spalten und hetzen, dann wieder relativieren. Mit diesem Muster macht die CDU Positionen der Rechten salonfähig.“ Nach den Ereignissen hatte es eine heftige Debatte über Ursachen für Jugendgewalt und über die Nationalität der Tatverdächtigen gegeben. Die Landes-CDU erfragte in dem Zusammenhang die Vornamen der Täter.

Wegner sagte zu Giffeys Erklärung: „Wenn eine Regierende Bürgermeisterin sich äußert zu einer Veranstaltung der zurzeit führenden Kraft in den Umfragen in Berlin, dann weiß ich nicht, ob das ihrem Amt entsprechend ist.“ In letzten Umfragen lag die CDU mit etwa 23 Prozent vor SPD und Grünen mit je rund 19 bis 20 Prozent.

© dpa-infocom, dpa:230127-99-385316/5

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