Paris:Wie die alten Römer in Lutetia

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Die ganze Stadt Paris ist um die Seine herumgebaut. Jetzt soll der Fluss besser in das Stadtleben integriert werden - als Badegewässer. (Foto: FRANCK FIFE/AFP)

100 Jahre lang durfte in der dreckigen Seine in Paris keiner baden, doch bald sollen die Bürger wieder im Wasser plantschen dürfen wie ihre Vorfahren. Aber wollen sie das auch?

Von Thomas Kirchner, Paris

Die heißeste Meldung in Paris war am Wochenende nicht die Nachricht von der brutalen Festnahme und dem geschwollenen Auge von Youssouf Traoré. Der schwarze Aktivist hatte an einer untersagten Demonstration zum Thema Polizeigewalt teilgenommen und angeblich eine Beamtin geschlagen. Er ist der Bruder von Adama Traoré, der 2016 mutmaßlich an Misshandlungen durch die Polizei starb. Die heißeste Meldung war die Mitteilung der Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die drei Stellen an der Seine nannte, an denen von 2025 an gebadet werden darf.

Dass die Seine hundert Jahre nach ihrer Sperrung wegen miserabler Wasserqualität bald wieder freigegeben werden sollte, war schon eine Weile bekannt. Nun wissen die Pariser aber, wo genau sie in den Fluss hüpfen dürfen: in Bercy im Angesicht der Nationalbibliothek, gegenüber der Île Saint-Louis und weiter flussabwärts an der Île des Cygnes neben dem Eiffelturm. Bisher war auch nur von "ein bis zwei" Stellen die Rede gewesen. Als Erstes werden 2024 die Olympiaschwimmer einige Wettbewerbe in der Seine austragen, bevor das allgemeine Publikum reindarf.

Es fühlt sich fast an wie Badengehen. Paris Plages ist der Versuch, den Mangel wenigstens ein bisschen zu kompensieren. (Foto: Thomas Kirchner/SZ)

Für Paris wird das ein Einschnitt sein. Diese Stadt hat ja alles im Überfluss: Schönheit, Kultur, Lebensfreude. Nur mit der Abkühlung in den immer heißer werdenden Sommern ist es arg schwierig bisher. Es gibt ein paar wenige Freibecken, auch Hallenbäder, die im Sommer das Dach öffnen, zu teilweise irrwitzigen Preisen. Mit Badekultur wie in Deutschland oder anderswo hat das nichts zu tun. Paris Plages ist seit Jahren der Versuch, den Mangel wenigstens ein bisschen zu kompensieren. Da werden Hunderte Sonnenschirme und Liegestühle an die Ufer der Seine gestellt. Zunächst war auch Sand dabei, inzwischen wandelt man wieder auf nacktem Stein. Grün, rasenbedeckt ist es fast nirgends an diesen Stellen, umso stärker sehnte man sich nach dem Nassen.

Paris knüpft damit an eine uralte Praxis an. Die ganze Stadt ist um die Seine herumgebaut. Schon die Römer badeten in Lutetia im Fluss, der immer auch einen hohen praktischen Nutzwert hatte für Mensch und Tier. Von etwa 1750 an verlustierten sich die Einwohner wieder an vielen Stellen der Seine, die damals noch nicht so verbaut war. Dann kamen die Industrialisierung und der Schmutz. Und der Autowahn der Nachkriegszeit. Der Verkehr wurde schon stark verdrängt in jüngster Zeit, gerade von Hidalgo. Und zuletzt hat man auch viel in die Verbesserung der Wasserqualität investiert. Sie ist angeblich schon okay, obwohl noch viel Abfall drin schwimmt, und soll noch besser werden, wenn zwei geplante große Rückhaltebecken fertiggestellt sind.

Noch sind die Pariserinnen und Pariser nicht ganz überzeugt von dem Projekt. Erst mal soll die Bürgermeisterin hineinhüpfen. (Foto: Thomas Kirchner/SZ)

Es ist nicht ungefährlich in der Seine, in der jede Menge mächtige Ausflugsschiffe unterwegs sind. Die Badestellen werden umgrenzt und gesichert, es wird Aufsichtspersonal geben, Duschen, Umkleidekabinen und so fort. Das Baden wird nicht überall frei sein, wie etwa in Zürich oder Genf - Städten, auf deren beliebte Flussbadis man neidisch schaut in Paris.

Mitarbeiter Hidalgos wurden am Sonntag beim beherzten Probebaden gefilmt. Von etwaigen Nachahmern war aber noch nichts zu sehen. Die Pariser reagieren noch skeptisch, was man verstehen kann angesichts des trüben und seltsam riechenden Wassers. "Ich gehe erst rein, wenn Hidalgo es vorgemacht hat", sagte eine Frau im Fernsehen.

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