Paradise Papers:Moskauer Muster

Lesezeit: 3 min

(Foto: SZ)

Wie Trumps Handelsminister Ross durch seine Verbindungen nach Russland in Bedrängnis gerät.

Von Frederik Obermaier und Nicolas Richter

Da wollte Richard Blumenthal mal den Geist der Überparteilichkeit aufleben lassen, der in Washington sonst fehlt, und dann war es wieder nichts. Im Januar 2017 saß Blumenthal im Handelsausschuss des US-Senats und befragte Donald Trumps designierten Handelsminister Wilbur Ross. Der Milliardär Ross war eine schwierige Personalie, weil er zahllose Beteiligungen an Firmen hatte, zudem viele Führungsposten. Interessenkonflikte in seiner neuen Rolle als Regierungsmitglied waren also zu erwarten. Aber Ross, so schien es, hatte vorgesorgt und die heikelsten Jobs aufgegeben. Der Demokrat Blumenthal also lobte den Republikaner Ross, und zwar überschwänglich. Er würdigte das "persönliche Opfer", das Ross erbringe, um Minister zu werden. "Sie haben sich von Investitionen in Höhe von Hunderten Millionen Dollar getrennt. Sie haben 90 Prozent Ihrer Holdings aufgegeben, sind von 50 Posten zurückgetreten. Dieser Prozess war für Sie persönlich enorm komplex, herausfordernd und teuer."

Ende vergangener Woche allerdings stellte sich heraus, dass das Lob verfrüht gewesen war. Journalisten konfrontierten Senator Blumenthal mit Erkenntnissen aus den Paradise Papers: Demnach hat Ross als Minister über eine Kette von Briefkastenfirmen eine Beteiligung an der Reederei Navigator behalten, die Millionen durch Geschäfte mit dem russischen Energiekonzern Sibur verdient. Blumenthal warf Ross vor, den Senat in die Irre geführt zu haben. Seit Veröffentlichung der Paradise Papers am Sonntagabend haben sich weitere Politiker kritisch über Ross und seine Verbindung zu dem russischen Konzern geäußert, der in der Hand von Vertrauten des Kreml-Chefs Wladimir Putin ist. Angus King etwa, ein parteiloser Senator, forderte Ross auf, sich im Parlament zu erklären. Die Demokratin Tammy Baldwin forderte eine offizielle Untersuchung. Ross reagierte auf die Kritik und sagte, er werde seine Anteile an Navigator "wahrscheinlich nicht" behalten.

Am schärfsten reagierte Senator Blumenthal, der Mann also, der Ross vorher so gelobt hatte. "Ich bin überrascht und entsetzt", sagte er, "denn ich glaube, dass unser Ausschuss getäuscht wurde, das amerikanische Volk wurde getäuscht durch diese Verschleierung, es gibt kein anderes Wort dafür."

Die Diskussion über Ross konzentriert sich auf zwei Fragen. Die erste: Ist es zu beanstanden, dass der Minister privat an Geschäften mit der russischen Energiebranche verdient? Sehr wohl, findet Blumenthal, wegen der Verbindung zu Russland. Blumenthals Worte zeigen, wie belastet die Beziehungen zwischen Washington und Moskau sind. "Russland will uns nichts Gutes. In Russland gibt es Personen und Firmen, die sanktioniert sind, weil sie internationale Normen verletzt haben", sagte Blumenthal und sprach auch die Versuche Moskaus an, die US-Präsidentschaftswahl zu manipulieren. "Russland hat in unsere Wahlen eingegriffen, also ist Russland ein Gegner."

Besonders besorgt sei er darüber, dass es bei Ross Interessenkonflikte gebe, die mit Russland zusammenhingen, denn Moskau wisse dies auszunutzen. "Diese Art von Interessenkonflikten sind Teil des russischen Musters, der russischen Praxis, des russischen Drehbuchs. Sie verwickeln unsere Staatsdiener oder die anderer Regierungen und benutzen sie dann. Ob sie auch Minister Ross benutzt haben, muss man noch sehen." Ross entgegnet, er sei den Anteilseignern Siburs nie begegnet. Außerdem sei Sibur selbst nie mit Sanktionen belegt worden. "Eine Firma, die nicht sanktioniert ist, ist wie jede andere Firma. Punkt", sagte Ross dem Sender CNBC. Dies verkennt allerdings, dass Ross als Minister großen Einfluss auf die Handels- und Sanktionspolitik der USA hat und ihm damit im Verhältnis zu Russland eine Schlüsselrolle zukommt. So gesehen ist der Energiekonzern Sibur, an dem Ross über Umwege mitverdient, nicht irgendeine Firma.

Die zweite Frage lautet, ob Ross diese Geschäftsbeziehung verschwiegen hat. Blumenthal scheint das so zu sehen. Er habe wirklich gedacht, dass sich Ross von seinen Beteiligungen getrennt habe; deswegen habe er Ross ja für dessen "Opfer" gelobt. Dies bereue er jetzt. "Ich fühle mich getäuscht, denn er hat Anteile an mindestens neun Firmen behalten, die Anteile an anderen Firmen hielten", sagt Blumenthal.

Noch ist ganz klar, ob Ross vorsätzlich getäuscht hat oder ob der Senat schlicht unaufmerksam war. Ross hat im Dezember 2016 angegeben, dass er über Umwege Anteile an der Reederei Navigator hielt. Im Januar 2017, etwa zur Zeit der Anhörung, gab er an, welche Beteiligungen er als Minister behalten wollte, und da kam Navigator nicht mehr vor. Als die Anhörung vorbei war, stimmte Blumenthal gegen Ross. "Ich witterte damals, dass etwas nicht stimmt."

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: