Kritik an Guttenberg:"Am Ende reden wir über den Verteidigungsminister"

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Karl-Theodor zu Guttenberg greift durch: Zuerst entlässt der Verteidigungsminister den Kapitän der "Gorch Fock", nun will er die gesamte Bundeswehr auf den Prüfstand stellen. Das stößt auf heftige Kritik - nicht nur bei führenden SPD-Politikern: Der Chef des Bundeswehrverbandes spricht gar von der "heiligen Inquisition". Guttenberg verteidigt sein Vorgehen.

Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kontert die Kritik der Opposition: Seine Entscheidung zur Absetzung des Gorch-Fock-Kapitäns sei "sachgerecht und notwendig", manche Stellungnahme dazu sei "Ausdruck bemerkenswerter Ahnungslosigkeit", hieß es in einer schriftlichen Erklärung, die sein Ministerium verbreitete.

Hat Verteidigungsminister Guttenberg zur rückhaltlosen Aufklärung aufgefordert: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. (Foto: AP)

Der Kommandant der Gorch Fock sei weder "gefeuert", noch "geschasst" oder "rausgeworfen" worden, hieß es darin weiter. "Ich empfehle allen, die sich bereits vorsorglich empörten, sich nächstes Mal zumindest mit den Grundzügen des Beamten- und Soldatenrechts vertraut zu machen." Der Verteidigungsminister schließt nicht aus, dass Kapitän Norbert Schatz seine Karriere nach Aufklärung der jüngsten Vorgänge wie geplant fortsetzen kann.

Guttenberg hatte den Gorch-Fock-Kapitän abgesetzt und angekündigt, in allen Truppenteilen nach Missständen suchen zu lassen. In der SPD stößt dieses Vorgehen auf heftige Kritik: "Am Tag nachdem eine große Boulevardzeitung ihn aufgefordert hat, den Kapitän der Gorch Fock zu entlassen, folgt er dann diesem Schritt, ohne dass Aufklärung getan worden ist", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier am Sonntagabend in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin.

Das verstehe die Bevölkerung nicht, sagte Steinmeier. "Und wir als Parlament empfinden es als Frechheit. Und am Ende, wenn die Verantwortung auch des Verteidigungsministers geklärt ist, wird über den Verteidigungsminister zu reden sein", so Steinmeier weiter. Er hatte Guttenberg zur rückhaltlosen Aufklärung aufgefordert.

Nach Ansicht des SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold hat Guttenberg die Vorfälle auf dem Segelschulschiff zunächst nicht ernst genommen. Er habe schon im Dezember im Verteidigungsausschuss nach den Hintergründen des tödlichen Unfalls der Offiziersanwärterin auf dem Schiff gefragt, das Ministerium habe aber abgewiegelt, sagte er am Montag im ZDF- Morgenmagazin. Der Schritt habe nichts mit seriöser Personalführung zu tun. Erst hätte Guttenberg die Mitarbeiter anhören müssen, meinte der SPD-Politiker. Die Entlassung sei "ein Stück weit ein Bauernopfer".

Der Chef des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, verglich Guttenbergs Ankündigung, die gesamte Truppe auf den Prüfstand zu stellen, gar mit der "heiligen Inquisition": Kirsch sagte der Augsburger Allgemeinen, es mache ihn "tief betroffen", wenn die Soldaten "unter einen Generalverdacht gestellt" würden.

"Informationspolitik nach Salamitaktik"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, spricht gar von einem "Kommunikationsdesaster": Guttenberg habe das Parlament über den Tod des Soldaten in Afghanistan und über die Vorgänge auf der Gorch Fock "nicht nur viel zu spät, sondern auch noch falsch informiert", bemängelte Beck. Die Grünen seien nicht mehr gewillt, dem Verteidigungsminister "diese Informationspolitik nach Salamitaktik" durchgehen zu lassen. Die Grünen haben deshalb eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt.

Hintergrund der Debatte sind drei fast zeitgleich bekanntgewordene Vorfälle. Dabei handelt es sich um Meuterei-Vorwürfe nach dem Tod einer Offiziersanwärterin auf dem Segelschulschiff Gorch Fock, das Öffnen von Feldpostbriefen aus Afghanistan und neue Hinweise zum Tod eines Soldaten in Afghanistan. Im Fall der ums Leben gekommenen Kadettin wollen die Eltern die Wiederaufnahme des Verfahrens erzwingen: "Wir erstatten Strafanzeige wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung mit Todesfolge", sagte die Mutter der ums Leben gekommenen Frau.

Linken-Chef Klaus Ernst sagte, von Guttenberg sei kein personelles Bauernopfer gefordert worden, sondern rückhaltlose Aufklärung. Sollten nicht sofort alle Fakten auf den Tisch kommen, dann müsse im Bundestag "ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob die Vorfälle in der Bundeswehr nicht eingehender untersucht werden müssen".

Guttenberg kündigte ein dreistufiges Verfahren im Umgang mit den aktuellen Bundeswehraffären an: Aufklären, abstellen, Konsequenzen ziehen. "Wir befinden uns bei der Gorch Fock immer noch in der ersten Phase: Aufklärung." Die Entscheidung vom Wochenende betreffe die Frage, ob der Kommandant während der Aufklärung in seiner Position verbleibe oder nicht, erläuterte Guttenberg. "Wenn die Anschuldigungen sich als nicht stichhaltig erweisen sollten, wird er seine Karriere wie geplant fortsetzen."

Mißfelder: "Überfälliger Schritt"

Rückendeckung erhielt der Verteidigungsminister unterdessen aus der Koalition. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkte Guttenberg den Rücken. Die Kanzlerin habe den Verteidigungsminister bei den Entscheidungen "ausdrücklich unterstützt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Der Minister habe hier eine "hohe Aufklärungsverantwortung". "Dem ist er nachgekommen." Jetzt solle, unter Einbeziehung der Bundestagsfraktionen darüber nachgedacht werden, welche Rolle das Schulschiff in Zukunft spielen werde.

Auf die Frage, ob die schnelle Abberufung des Schiffskommandanten durch den Minister gerechtfertigt sei, sagte CDU-Präsidiumsmitglied Philipp Mißfelder in Berlin: "Offensichtlich war dieser Schritt überfällig." Wer Führungsverantwortung trage, müsse gehen, wenn Fehler passieren.

© sueddeutsche.de/dpa/dapd/juwe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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