"Ein mutiges politisches Statement", habe Michelle Obama abgegeben. Sei für die Menschenrechte, für die Rechte von Frauen in Saudi-Arabien eingetreten. Meinen die einen. Die anderen erklären, sie habe sich "einen Dreck darum geschert", was in dem Land Sitte sei, was die Gastgeber gerne gehabt hätten. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) spricht von einem "Tabubruch", der Tagesspiegel von "protokollarischer Aufregung".
Was war passiert? Nichts. Wirklich. Michelle Obama war eigentlich wie immer, sah aus wie immer. Zusammen mit ihrem Mann, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack, war sie nach Saudi-Arabien gereist. Anlass waren die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen König Abdullah. Als sie die Präsidentenmaschine Air Force One verließ, trug sie einen blau-weiß-gemusterten, freihängenden Blazer locker über einer langen schwarzen Hose. Und ihre Haare offen.
Und so blieb das auch während des Besuchs:
Saudi-Arabien ist ein ultrakonservatives Königreich. Eine absolute Monarchie. Frauen werden dort unterdrückt, ihnen werden Rechte vorenthalten, die Männern ganz selbstverständlich zustehen. Einen Führerschein zu beantragen, ist für sie grundsätzlich immer noch nicht möglich. Und tatsächlich verhüllen Frauen in Saudi-Arabien in der Öffentlichkeit meist ihre Haare, viele saudische Frauen tragen einen Niqab, einen Gesichtsschleier.
Als die Bilder von Michelle Obama veröffentlicht wurden, empörten sich denn auch einige Saudis im Internet. Am Dienstag wurden mehr als 1500 Tweets mit dem Hashtag # ميشيل_أوباما_سفور (#Michelle_Obama_unverhüllt) abgesetzt, berichtete aufgeregt die Washington Post.
Hat Michelle Obama also einen Tabubruch begangen? Die Gastfreundschaft missachtet? Oder ist sie tatsächlich mutig eingestanden für die Rechte von Frauen?
Ein Blick ins Protokoll, zusammen mit der New York Times: Weibliche Mitreisende aus dem Weißen Haus hatten vor dem Präsidentenbesuch die Auskunft erhalten, es bleibe ihnen überlassen, ob sie eine Kopfbedeckung tragen wollten.
Und tatsächlich ist Michelle Obama nicht die erste, die ohne Kopftuch im Königreich vorstellig wird:
Laura Bush, Ehefrau des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush:
Oder Hillary Clinton, ehemalige US-Außenministerin und Ehefrau des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton:
Oder die frühere US-Außenministerin Condoleezza Rice:
Oder die ehemalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi:
Oder die damalige philippinische Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo:
Oder Bundeskanzlerin Angela Merkel:
Die Empörung auf Twitter hielt sich, gemessen an den Millionen Twitternutzern in Saudi-Arabien auch in Grenzen, wie der Journalist Ahmed Al Omaran vom Wall Street Journal schreibt:
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Und der Blick in den Twitter-Account des neuen Königs Salman zeigt, dass es für ihn nichts Ungewöhnliches ist, Frauen ohne Kopftuch zu empfangen:
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Woher also dann die ganze Aufregung? Max Fisher stellt auf der Nachrichtenseite Vox die These auf, dass die Berichterstattung in den USA über die Reise von Michelle Obama "rassistisch" sei. Ohne darauf zu verzichten, die Machthaber in Saudi-Arabien als ein despotisches und grausames Regime zu brandmarken, hat er dafür gute Gründe. Denn wie sonst sei die Berichterstattung zu erklären? Mit falschen Fakten wird ein Land beleidigt und rassistische Stereotypen werden wieder hervorgekramt.
Und tatsächlich wäre die Kritik an Michelle Obama in den USA wohl weitaus größer gewesen, hätte sie ein Kopftuch getragen. Dann wäre ihr vorauseilender Gehorsam vorgeworfen worden. Und dass sie das Kopftuch als "Zeichen der Unterdrückung der Frauen" selbst trägt.
Übrigens geht das Gerücht um, das saudische Staatsfernsehen, das die Beerdigung übertragen hat, habe Michelle Obama verpixelt. Auch das: Blödsinn.
Linktipp:
- Die feministische Zeitschrift Emma weist in dem Zusammenhang auf eine unterhaltsame Episode aus dem Jahr 1998 hin: Damals besuchte der damalige saudische Kronprinz Abdullah von Saudi-Arabien Königin Elisabeth II. in Großbritannien. Die Queen lud den Mann, in dessen Land Frauen das Autofahren verboten ist, persönlich zu einer Spritztour ein. Und Elisabeth, im Zweiten Weltkrieg Armeefahrerin und bekannt für ihre Fahrkünste, gab Gas.
- In der Daily News schreibt die Journalistin und Autorin Asra Q. Nomani über den Besuch Michelle Obamas. Sie ist Amerikanerin, Muslima und Feministin.