Österreichs Sozialdemokraten:SPÖ bekommt erstmals Chefin

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Kein Stallgeruch, aber kompetent: Pamela Rendi-Wagner soll Christian Kern an der SPÖ-Spitze ablösen. (Foto: Georg Hochmut/picture alliance)
  • Der bisherige Parteichef der SPÖ und Ex-Kanzler Christian Kern will in die Europapolitik wechseln.
  • Das Präsidium der SPÖ hat in einer schnellen Entscheidung Kerns Wunsch-Nachfolgerin, Pamela Rendi-Wagner, zur neuen Parteichefin erkoren.
  • Die Medizinerin gilt als rhetorisch gewandt und kompetent, verfügt aber - außer dem Kreis um Kern - kaum über eine eigene Hausmacht in der Partei.

Von Peter Münch, Wien

Lächelnd und gelassen hat sie sich gezeigt, so wie meistens. Doch viel mehr, als dass es eine "große Ehre" sei, hat sie sich nicht entlocken lassen. Pamela Rendi-Wagner ist erst einmal in Deckung geblieben, nachdem das Präsidium der SPÖ sie am Samstag holterdiepolter zur neuen Parteichefin erkoren hat. In der 130-jährigen Geschichte der österreichischen Sozialdemokraten wird Rendi-Wagner die erste Frau an der Spitze sein. Doch neben der Ehre, das weiß sie genau, ist das Amt auch Bürde. Denn diese SPÖ hat gehöriges Potenzial zu Intrige und Selbstdemontage.

Die rasche Einigung auf die 47-Jährige ist vor allem dem Bemühen geschuldet, schnellstmöglich einen Schlussstrich zu ziehen unter die parteiinternen Chaostage. Ausgelöst worden waren die durch den Rückzug des bisherigen Parteichefs und Ex-Kanzlers Christian Kern, der Mitte voriger Woche seine Genossen mit der Ankündigung überrumpelt hatte, in die Europapolitik wechseln zu wollen. Danach hatten fast alle die Flucht ergriffen, die als mögliche Nachfolger genannt worden waren - außer Rendi-Wagner, die danach vom Magazin Profil zur "Last Woman Standing" erklärt wurde. Andere sehen in der gelernten Medizinerin nun die Notärztin der Partei, was man zum einen auf die siechen Sozis, zum anderen aber auch auf ihre eigene Rolle als Notnagel beziehen kann.

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Noch-Parteichef Kern hat seine Nachfolgerin trotzdem schon tapfer als "tatsächlich erste Wahl" bezeichnet. Das stimmt zumindest für ihn selbst, sie ist seine Wunsch-Nachfolgerin. Kern hatte Rendi-Wagner im März 2017 als Gesundheitsministerin in sein Kabinett geholt. Spätberufen trat sie dann zeitgleich in die SPÖ ein, deren Führung ihr nun nur anderthalb Jahre später anvertraut wird.

Rendi-Wagner soll ein Gegengewicht bilden zu den Männern an der Macht um Kurz und Strache

Karriere hat sie zuvor in der Wissenschaft gemacht, mit einer Promotion in Tropenmedizin und einer Habilitation zum Thema Impfschutz. Studiert hat sie unter anderem in London, gelehrt auch an der Universität in Tel Aviv, als ihr Mann in Israel als Österreichs Botschafter amtierte. Danach ging die Mutter zweier Töchter ins Wiener Gesundheitsministerium, wo ihr politisches Talent entdeckt wurde.

Telegen ist sie und rhetorisch gewandt, gelobt werden Kompetenz und Freundlichkeit. Bei der verloren gegangenen Parlamentswahl im vorigen Herbst trat sie hinter Kern bereits als Listen-Zweite an. Was ihr jedoch fehlt ist Erfahrung als politische Allrounderin jenseits der Gesundheitspolitik. Und sie hat keinen sogenannten Stallgeruch - sie verfügt kaum über eine eigene Hausmacht in der SPÖ außer dem Kreis um Kern. Ihr Vorgänger ist als früherer Manager allerdings selbst ein Quereinsteiger und war vielleicht auch deshalb nie richtig in der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße angekommen.

Im Chor der Gratulanten fiel nun bereits die Zurückhaltung des mächtigen Wiener SPÖ-Chefs Michael Ludwig auf, der darauf verwies, dass erst die Praxis zeigen könne, wie gut Rendi-Wagner den Vorsitz bewältigt. "Sie hat aber die Fähigkeiten dazu", schob der Parteifreund generös nach. Neben den Platzhirschen wird sich die neue Parteichefin, die auf einem Parteitag Ende November gewählt werden soll, obendrein auch dem politischen Gegner stellen müssen. Ihre eigene Partei setzt darauf, dass sie ein Gegengewicht bilden kann zu den Männern an der Macht um Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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