Österreich:Spott und Wut nach Kurz-Besuch im Kleinwalsertal

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Kurz war eigentlich wegen eines Treffens anlässlich der bevorstehenden Grenzöffnung im Kleinwalsertal - und wurde von einer Menschenmenge empfangen. (Foto: Dragan Tatic/dpa)

Sebastian Kurz wird bei seiner Visite umjubelt - und appelliert vergeblich an die Menschenmenge, doch bitte den hygienisch gebotenen Abstand zu halten. Die Opposition will Anzeige einreichen.

Von Peter Münch, Wien

Die Freude, ach was, das Frohlocken war groß, als Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz nun das Kleinwalsertal in Vorarlberg besuchte. Die Menschen schwenkten rot-weiß-rote Fähnchen, es war ein großes Geklatsche und Gedränge ob dieser Kanzlererscheinung, und von den wenigen, die Masken trugen, ließen die meisten sie sogleich fallen. Sebastian Kurz lächelte und staunte, und schließlich sprach er: "Ihr seids ein bisserl eng beinand."

Es war die erste Reise des Kanzlers nach zehn Wochen Wiener Krisenarbeit im Kampf gegen das Coronavirus. Der Ausflug in Österreichs fernen Westen sollte auch als Signal verstanden werden, dass die schweren Zeiten wieder leichter werden. Dies jedoch ändert nichts daran, dass in Österreich weiterhin für alle vom Kanzler abwärts und seitwärts die regierungsamtlich verordneten Abstandsregeln gelten - und die wurden im Kleinwalsertal doch recht grob missachtet, wie auf einem Video zu sehen ist, das die Vorarlberger Nachrichten ins Netz stellten.

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Gleich mehrmals sprach der Kanzler, den man in Wien nur noch hinter Plexiglas sieht, den fehlenden Abstand an. "Wir haben alle Zeit der Welt", warb er, nachdem er sich den Weg durchs Empfangskomitee hatte bahnen müssen. "Bitte auseinandergehen", forderte er, "ich bitte euch alle, a bissl an Abstand zu halten, so gut als möglich." Die Reaktion darauf: ein paar laut vernehmbare Lacher.

Den Ernst der Lage musste schließlich das Kanzleramt hinterher noch in einer Erklärung an die Nachrichtenagentur Apa unterstreichen: "Egal ob man den Bundeskanzler oder Freunde auf der Straße trifft: Der Abstand ist einzuhalten." Da war es allerdings schon zu spät. Im Netz verbreiteten sich Spott und Wut angesichts der missglückten Inszenierung, und der Neos-Nationalratsabgeordnete Sepp Schellhorn kündigte grimmig eine Anzeige an: "Die Kulturschaffenden, Theater und Filmemacher müssen sich über Hygienebestimmungen den Kopf zerbrechen, Wirte um Abstandsregelungen, und dann das."

In diesem ganzen Getöse ging fast unter, dass Kurz, der als erster Kanzler seit Bruno Kreisky anno 1973 das Kleinwalsertal besuchte, tatsächlich eine frohe Botschaft mitgebracht hatte. Schließlich wurden die rund 5000 Einwohner durch die coronabedingten Grenzschließungen Mitte März weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, weil die einzige Straße ins Tal über Deutschland führt. Kurz konnte nun "einige Erleichterungen" und den kompletten Wegfall der Grenzkontrollen zum 15. Juni verkünden.

Bis dahin allerdings sind es noch mehr als vier Wochen, und die Schlagbäume sind noch unten. Der Kanzler musste trotzdem nicht vom Himmel hoch einschweben. Er hatte sich vom bayerischen Innenministerium ganz profan eine Transitgenehmigung besorgt.

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© SZ vom 15.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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