Österreich:Scheinbar unverbraucht

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Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, 37, am ersten Prozesstag im Landesgericht Wien. (Foto: Georges Schneider/IMAGO/photonews.at)

Ex-Kanzler Sebastian Kurz steht in Wien vor Gericht. Wie auch immer der Prozess ausgeht, eine Frage wird bleiben: Woher kommt der über Jahre dauernde Hype um seine Person?

Von Cathrin Kahlweit

Die ersten Prozesstage im Verfahren gegen Sebastian Kurz wegen des Vorwurfs der Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss sind vorbei. Die formal Hauptangeklagte Bettina Glatz-Kremsner, Ex-Chefin des Glückspielkonzerns Casinos Austria, durfte schon am ersten Abend nach Zahlung einer hohen Geldstrafe gehen. Sie hatte, in Maßen, Demut gezeigt - nicht so viel, dass sie eine Falschaussage im Ausschuss oder bei der Staatsanwaltschaft eingeräumt hätte. Aber doch so viel, dass der Richter offenbar fand, es reicht, wenn die beiden uneinsichtigen Angeklagten, Sebastian Kurz und sein Kumpel Bernhard Bonelli, weiter auf dem Büßerbänkchen hocken müssen.

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Kurz wird nun also, anstatt auf Insta Fotos mit Trumpisten und Orbánisten zu posten, ziemlich viele graue Tage im kalten Schwurgerichtssaal verbringen. Immerhin hat er Bonelli neben sich. Aber ein großer Alleinunterhalter scheint sein ehemaliger Kabinettschef nicht zu sein, der bei der Abfrage der Personalien durch den Richter betonte, er sei "glücklich" verheiratet. Andere Menschen sind offenbar nur verheiratet.

Am zweiten Tag sagte Kurz aus und betonte gestenreich und emotional, dass er sich bemüht habe, wahrheitsgemäß zu antworten. Aber die Stimmung sei aggressiv gewesen, die Opposition habe ihn "zerstören" wollen. Wäre er damals nicht Bundeskanzler gewesen, hätte man ihn nicht so ungerecht behandelt, glaubt er. Das Verfahren habe ihm jedenfalls die "Freude an der Politik geraubt".

Wie auch immer das Verfahren ausgeht, eine Frage vor allem wird bleiben: Was war es, das diese Begeisterung für Kurz auslöste, diesen über Jahre dauernden Hype, der in Teilen immer noch anhält? War es die megaprofessionelle PR, der auch die Medien erlagen, war es die scheinbare Unverbrauchtheit eines jungen Mannes, der im Herzen immer schon viel älter war als andere?

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Der große Schriftsteller Elias Canetti, der viele Jahre seines Lebens in Wien verbrachte, schrieb in seinem Hauptwerk "Masse und Macht" von "kollektiven Erscheinungen", die bei Menschen Erregungszustände wie Lust hervorrufen. Menschen suchten "Dichte und Richtung". Die Türkisen und ihre Fangemeinde wären gutes Anschauungsmaterial für ihn gewesen. Kurz hatte auch immer behauptet, Politik anders, sauber, ohne Intrigen zu machen. Canetti wusste schon früh: "Ich habe noch nie von einem Menschen gehört, der die Macht attackiert hat, ohne sie für sich zu wollen."

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