Österreich:Ehemaliger Kanzler Kurz wegen Verdachts auf Falschaussage angeklagt

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Muss vor Gericht: Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz. (Foto: Georges Schneider/Imago/photonews.at)

Der einstige Hoffnungsträger der Konservativen muss vor Gericht: Ihm wird vorgeworfen, im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre falsch ausgesagt zu haben.

Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist wegen des Verdachts der Falschaussage angeklagt worden. Das gab die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien bekannt. Bei der Anklage geht es um Aussagen des 36-Jährigen im Ibiza-Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments.

Im Ausschuss hatte Kurz im Juni 2020 seine Rolle bei der Bestellung des Chefs der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid, eher heruntergespielt. Er sei im Vorfeld über die Entscheidung informiert worden, habe aber nicht weiter mitgewirkt, so seine damalige Aussage. Die Öbag managt zehn staatliche Beteiligungen mit einem Gesamtwert von rund 30 Milliarden Euro.

Aufgrund von Chatnachrichten geht die Staatsanwaltschaft aber davon aus, dass der ehemalige Regierungschef sehr wohl intensiv in die Personalie eingebunden war. So hätten sich Kurz und Schmid spätestens von Mitte 2017 an regelmäßig über das Thema ausgetauscht. Die Vorwürfe seien falsch, schrieb Kurz auf der Plattform X (ehemals Twitter). Es sei für ihn und sein Team wenig überraschend, dass die Behörde trotz 30 entlastender Zeugenaussagen dennoch entschieden habe, einen Strafantrag zu stellen.

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Die WKStA ermittelte seit Frühjahr 2021 nach einer Anzeige von sozialdemokratischer SPÖ und liberalen NEOS gegen Kurz. Der Vorwurf lautet: Verdachts der Falschaussage. Der Strafrahmen für das zur Last gelegte Delikt beträgt laut Behörde bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Es gilt als wahrscheinlich, dass Kurz bei einer Verurteilung als bisher unbescholtener Bürger eine Bewährungsstrafe bekommen würde und nicht ins Gefängnis müsste.

Der Prozess gegen Kurz soll am 18. Oktober beginnen. Zunächst seien zwei weitere Verhandlungstage am 20. und 23. Oktober anberaumt, teilte eine Sprecherin des Landgerichts mit. Angeklagt sind laut Gericht neben Kurz auch sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli sowie die frühere Generaldirektorin der Casinos Austria, Bettina Glatz-Kremsner. Der Akt umfasse mehrere Kisten, der Strafantrag mehr als 100 Seiten, hieß es.

Der Ibiza-Skandal ist nicht das einzige juristische Problem des Ex-Kanzlers: Kurz hat möglicherweise auch noch in der sogenannten Inseraten-Affäre eine Anklage vor sich. Dabei geht es um geschönte Umfragen und Regierungs-Inserate in Boulevard-Zeitungen, die mutmaßlich mit Steuergeld bezahlt worden sein sollen. Gegen mehrere Personen wird wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Auch hier bestreitet Kurz die Vorwürfe.

Der ehemalige ÖVP-Chef, einst europaweit hoch gehandelter Hoffnungsträger der Konservativen, stand zwei Mal an der Spitze einer Koalition in Österreich. Von 2017 bis 2019 führte Kurz ein Bündnis von ÖVP und rechter FPÖ an. Von 2020 bis 2021 war er Regierungschef einer Koalition aus ÖVP und Grünen. Angesichts der Vorwürfe trat er im Herbst 2021 zunächst von seinen Ämtern zurück. Im Dezember 2021 verkündete er seinen gänzlichen Abschied aus der Politik. Inzwischen ist er Unternehmer und Lobbyist.

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Anlass aller Ermittlungen war die Ibiza-Affäre. Die Süddeutsche Zeitung hatte 2019 über ein auf der Ferien-Insel heimlich aufgenommenes Video berichtet, auf dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache anfällig für Korruption gewirkt hatte. Die damalige Koalition aus ÖVP und FPÖ zerbrach an der Affäre.

Bei der Suche nach Anhaltspunkten für Vetternwirtschaft und Korruption zur Zeit der Regierung von Kurz spielte das Handy von Ex-Öbag-Chef Schmid eine zentrale Rolle. Mehr als 300 000 - von der Staatsanwaltschaft oft als belastend eingeschätzte - Chats waren eine Fundgrube für die Ermittler. Schmid selbst hat sich in der Affäre als Kronzeuge angeboten und Kurz, mit dem er ein enges Verhältnis pflegte, mehrfach belastet.

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