Österreich:Erst schweigsam, nun gesprächig

Lesezeit: 2 min

Sebastian Kurz, der wegen der Inseraten-Affäre als Kanzler zurücktreten musste. (Foto: Lisa Leutner/AP)

Nach einer überraschenden Wendung hat die Meinungsforscherin Sabine Beinschab in der Inseraten-Affäre in Wien den Status einer Kronzeugin beantragt.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Seit Tagen kursieren in Wien Gerüchte, dass eine oder einer der Beschuldigten in der Affäre um sogenannte Inseratenkorruption, aufgrund derer Sebastian Kurz vor drei Wochen als österreichischer Bundeskanzler zurücktreten musste, ein Geständnis abgelegt habe. Ermittelt wird wegen des Vorwurfs der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit gegen Kurz und sein enges Umfeld. Der Vorwurf: Mittels teils frisierter Umfragen und von Steuergeld bezahlter Rechnungen sei positive Berichterstattung quasi gekauft worden. Alle Beschuldigten bestreiten dies, aber zumindest eine Person hat nun offenbar ein umfassendes Geständnis abgelegt und angeboten, mit den Behörden zu kooperieren.

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Als ein Kandidat für eine umfassende Aussage in der Causa, welche Mitte Oktober die Republik erschütterte, galt unter Insidern eigentlich vor allem Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär im Finanzministerium und Ex-Chef der Staatsholding Öbag sowie Urheber der etwa 300 000 Chatnachrichten, welche die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) immer noch auswertet. Er habe sich Kurz emotional besonders verbunden gefühlt, heißt es, und stehe nun vor dem Nichts.

Auch über den offiziell beurlaubten Ex-Pressesprecher von Kurz, Johannes Frischmann, hieß es zwischenzeitlich, er habe geredet. Tatsächlich aber meldete am Freitagmorgen der ORF, dass die Meinungsforscherin Sabine Beinschab, die am 12. Oktober wegen Verdunklungsgefahr kurzzeitig festgenommen worden war, den Status einer Kronzeugin bei der Staatsanwaltschaft beantragt habe.

Beinschab soll, so die Ermittler, das von Schmid entwickelte "Beinschab Österreich Tool" umgesetzt haben; im Kern geht es dabei um den Vorwurf, dass von der ÖVP bestellte Umfragen in der Mediengruppe der Brüder Wolfgang und Helmuth Fellner präsentiert wurden. Im Gegenzug für üppige Inserate habe es eine positive Begleitberichterstattung gegeben. Ihre Rechnungen für die Meinungsforschung, die sie ausweislich vorliegender Chatprotokolle mit Kurz-Vertrauten absprach, soll Beinschab in Studien verpackt haben, die womöglich nie erstellt wurden, die aber das ÖVP-geleitete Finanzministerium zahlte. Kurz vor einer Hausdurchsuchung Anfang Oktober hatte Beinschab versucht, entsprechende Daten zu löschen.

Beinschab schwieg offenbar zuerst, änderte aber ihre Meinung

Laut dem Anlassbericht des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BKA) hatte Beinschab offenbar am Tag ihrer Festnahme noch frühstücken dürfen und ihre Anwältin kontaktiert, die ihr erst einmal riet, nicht auszusagen; sie änderte aber später offenbar ihre Meinung. Tags darauf sagte sie bei der WKStA aus; die stundenlange Vernehmung wurde mehrmals unterbrochen. Schließlich durfte Beinschab gehen.

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Vor Beginn der eigentlichen Befragung wurde laut Anlassbericht des BKA festgehalten, dass die Beschuldigte bereit sei, "freiwillig ihr Wissen über Tatsachen und/oder Beweismittel zu offenbaren, deren Kenntnis wesentlich zur umfassenden Aufklärung einer in der Kronzeugenregelung genannten Straftat über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus zu fördern". Sie wurde allerdings auch informiert, dass "nur eine vollständige Darstellung der eigenen Taten im Rahmen eines reumütigen Geständnisses zu einer allfälligen Anwendung der Kronzeugenregelung führen" könne. Beinschab musste zusichern, sich nicht mit anderen Beschuldigten zu besprechen.

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