Österreich-Kolumne:Wie in einer Soap

Nationalrat in Wien

Neue Rolle: Sebastian Kurz ist seit dieser Woche Fraktionschef der ÖVP im Parlament.

(Foto: Lisa Leutner/dpa)

Immer neue Folgen, immer neue Krisen, immer neue Cliffhanger: Die Aufklärung der Vorwürfe gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz kann gefühlt ewig dauern.

Von Cathrin Kahlweit

Jetzt habe ich mal einen kurzen Tag lang gewagt, nach Deutschland zu fahren, habe das aber natürlich umgehend bereut. Man kann Österreich ja nicht mal ein paar Stunden aus den Augen lassen.

Der neue Bundeskanzler Alexander Schallenberg gab Armin Wolf in der ZiB2 ein Interview, in dem er es schaffte, noch öfter "Ich wurde vor 48 Stunden angelobt" als die Worte Sebastian und Kurz zu sagen. Der Altkanzler (man scheut fast davor zurück, das über einen 35-jährigen zu schreiben) hat kurz darauf in einer Videobotschaft versichert, er sei genauso von Wut und Resignation zerfressen wie viele seiner Unterstützer, wobei man diese Wut und diese Resignation natürlich unterschiedlich interpretieren kann. Vielleicht sind nicht mehr alle Fans für ihn, sondern seinetwegen wütend?

Im Parlament wurde derweil am Donnerstag offenbar eine Löschaktion in den Ministerien verhindert, wobei man in dieser Frage nicht so genau weiß, ob man damit nicht auch hier und da zu spät kommt. Ob es zudem stimmt, dass wenige Stunden vor den Hausdurchsuchungen vom 6. Oktober wirklich ein FedEx-Wagen vor dem Kanzleramt stand und unbekannte junge Menschen Laptops, Monitore und Akten einluden, auch das ist nicht gewiss; womöglich wollte nur mal jemand in seinem Büro einen Herbstputz machen?

Auch die ÖVP-Parteifinanzen von 2019 könnten nicht ganz in Ordnung sein

Die Verladeaktion kann aber auch andere Gründe gehabt haben; man hält ja mittlerweile alles für möglich, wenn hochrangige Mitarbeiter für ihren Basti sogar die Buchhaltung des Finanzministeriums für eigene Zwecke übertölpeln können. Nicht umsonst deutet der Rechnungshof an, dass die Parteifinanzen der ÖVP eventuell auch 2019, so wie 2017, nicht so ganz in Ordnung gewesen sein könnten. Kleine Frage dazu: Wie verbucht man eigentlich in einer Parteibilanz frisierte Rechnungen und Inseratenkorruption - als geldwerten Vorteil?

Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Ich war unlängst in einer Diskussionssendung, die von der wunderbaren Corinna Milborn moderiert wurde, und neben mir saß der Moderator und Autor Dirk Stermann, der ununterbrochen "Jeder Hippie muss mal Pippi" sagte. Mittlerweile weiß man, dass er eine Wette gegen seinen Kompagnon bei "Willkommen Österreich", Christoph Grissemann, gewinnen wollte. Ich hatte, während der Sendung permanent kichernd, vorgeschlagen, die etwas sperrige Formulierung doch abzukürzen und einfach immer HP - für Hippie und Pippi - zu sagen, aber meine Idee ging tontechnisch etwas unter.

Nun würde ich sie gern noch mal aufnehmen. Könnte man nicht, weil uns die Chats und die Ermittlungen und die Fellners und die Schmids und die alten und neuen Kanzler und alles, was sich sonst angesammelt hat im aktuellen Diskurs, nicht einfach abkürzen? HP für "House of Kurz Chat Protokolle"? Dann müsste man nicht immer alles von vorn erklären und seitenweise aufschreiben; es gibt ja täglich genug Neues zu erzählen.

Warten auf neue Videos, Festnahmen, Geständnisse oder Chatprotokolle

Wenn nämlich erst der ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss, der auf den Ibiza-Untersuchungsausschuss folgt, in etwa zwei Monaten angelaufen sein wird, dann haben wir, wie in einer anständigen Soap, zumindest teilweise dieselben Darsteller, aber immer neue Folgen, immer neue Krisen und immer neue Cliffhanger. Die Aufklärung kann gefühlt ewig dauern, weil die Justiz ja eher mehr als weniger weitersuchen und vielleicht auch finden wird.

Ich gehe jedenfalls in das Wochenende in der Hoffnung, dass Stermanns Hippie sich in Berlin, wo er, behauptete jedenfalls Stermann, herkommt, auf eine Ampelkoalition und ein ambitioniertes Regierungsprogramm freuen kann. In Österreich wartet man derweil auf neue Videos von Sebastian Kurz, womöglich auf weitere Festnahmen, Geständnisse oder neue Chatprotokolle. Deshalb hier noch eine dritte Variante, nur für entspannte Wochenenden: HP für Happy Procrastination.

Diese Kolumne erscheint am 15. Oktober 2021 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der Süddeutschen Zeitung bündelt. Jetzt kostenlos anmelden.

Zur SZ-Startseite
Kurz Chat Teaserbilder

SZ PlusÖsterreich
:"So weit wie wir bin ich echt noch nie gegangen"

Innerhalb von nicht einmal zweieinhalb Jahren wird Österreich von der zweiten Staatsaffäre erschüttert. Tausende Chatnachrichten bringen den bisherigen Kanzler Sebastian Kurz und seinen engsten Zirkel in Bedrängnis. Die wichtigsten SMS - und was sie über das Land und seine Politiker aussagen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: