Österreich:Zum Staunen und Wundern

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Gerald Fleischmann, hier bei einer Pressekonferenz 2020 im Bundeskanzleramt in Wien, gilt als Erfinder der Message Control. (Foto: Georges Schneider/imago images/photonews.at)

Das Comeback eines engen Vertrauten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Mitbeschuldigten in der Inseratenaffäre beweist: In Österreichs Politik ist offenbar alles möglich.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Eines muss man den politischen Entscheidungsträgern in Österreich lassen: Es vergeht keine Woche, in der sie nicht zum Staunen Anlass geben. Wer geglaubt hat, dass sich in diesem Land nach all den bekannt gewordenen Missständen tatsächlich etwas ändert und gar Konsequenzen gezogen werden, der wurde in den vergangenen Tagen eines Besseren belehrt.

Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Ausgerechnet Gerald Fleischmann, den Vertrauten von Sebastian Kurz und Mitbeschuldigten in der Inseratenaffäre, machte Kanzler Karl Nehammer zum neuen Kommunikationschef der ÖVP. Fleischmann ist jener Mann, der in Redaktionen anrief, wenn sich Kurz ungerecht behandelt oder nicht positiv genug dargestellt fühlte. Der Erfinder des Message Control, worunter der Versuch der totalen Kontrolle der Medien zu verstehen ist, soll nun die Kommunikationsarbeit für jene Partei verantworten, die gerade durch diese Machenschaften ins Zwielicht geraten ist. Hier wird der Bock zum Gärtner gemacht. Und man fragt sich mit Blick auf die ÖVP: Sind die so?

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Dabei hat Nehammer Anfang November so etwas wie eine Distanzierung erkennen lassen; wenn auch mit einer Einschränkung versehen: "Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, dann verurteile ich sie aufs Schärfste. Korruption hat in Österreich definitiv keinen Platz", versicherte er im Parlament und beteuerte: "So bin ich nicht, und so sind wir nicht." Er behauptete auch noch: "Die, die gefehlt haben, müssen Konsequenzen tragen."

Erstaunliche Begründung des ÖVP-Ethikrates

Offenbar nicht - oder nicht alle. Denn für Fleischmann gilt, das wird nun überall betont, selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Die gilt aber wiederum zumindest in der Partei nicht für Thomas Schmid, mit dem Kurz, Fleischmann und all die anderen so gern gechattet haben. Und der mithilfe frisierter Umfragen dessen Aufstieg an die Spitze der ÖVP und schließlich ins Kanzleramt befördert hat.

Der ÖVP-Ethikrat hat mit der erstaunlichen Begründung, Schmid habe schwere Straftaten gestanden, den Parteiausschluss empfohlen. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass womöglich der Hauptprofiteur der "Wer zahlt-schafft-an"-Aktionen der Volkspartei mindestens genauso geschadet hat. Denn schließlich ist seit Bekanntwerden der Affären die Partei in den Umfragen so weit abgestürzt, dass sie längst nicht mehr an der Spitze liegt.

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Vielleicht war er nie weg: Sebastian Kurz' früherer Sprecher soll die strategische Kommunikation der österreichischen Kanzlerpartei verantworten.

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Aber weit gefehlt! Für Sebastian Kurz gilt selbstverständlich in der ÖVP weiterhin die Unschuldsvermutung, und die Partei übernimmt sogar noch die Rechnung für den Anwalt. Die Kosten für die manipulierten Umfragen hat im Übrigen der Steuerzahler getragen. Kurz hat erst jüngst als Reaktion auf Schmid mit Blick auf das Budget des Außenministeriums den bemerkenswerten Satz formuliert, er hatte diese Mittel "zur Verfügung" - Geld der Steuerzahler als persönliche Verfügungsmasse.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen würde es auch nicht überraschen, dass Sebastian Kurz das gelingt, was Fleischmann geschafft hat: ein Comeback an der Spitze der ÖVP. Alles scheint möglich zu sein in diesem Land, dessen Politik so viel zum Staunen und Wundern bietet.

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