Beate Zschäpe hat mal wieder einen Brief an das Gericht geschrieben. Darin entschuldigt sie sich für das Verhalten ihrer beiden Pflichtverteidiger Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. Zugleich entschuldigt sie sich ausdrücklich noch einmal bei den Opfern der Raubüberfälle. Und sie zeigt Anzeichen von Reue: Sie habe sich aus "egoistischen Gründen" damals keine Gedanken über die Folgen gemacht.
Ihrer Meinung nach haben sich die beiden Anwälte bei einer Zeugenbefragung im März nicht richtig benommen. An besagtem Tag hatten die beiden Anwälte interveniert, als sich der Zeuge Dirk W. darüber beklagte, dass die Opfer der NSU-Raubüberfälle von staatlicher Seite zu wenig beachtet worden seien. Dirk W. war selbst Opfer eines Überfalls, 2004 in Chemnitz. Am Ende seiner Vernehmung wollte er etwas loswerden: "Es wurde sich ja bei den Angehörigen der Todesopfer auch von offizieller Seite entschuldigt. Aber bei den Opfern, die überlebt haben, wurde sich nicht entschuldigt für das Versagen der Behörden." Wolfgang Stahl unterbrach ihn und wies darauf hin, dass Zeugen im Gerichtssaal keine solchen Erklärungen abgeben dürften.
Als Richter Manfred Götzl bei dem Zeugen nachfragte, bekräftigte dieser, ihm gehe es darum, dass Spitzenpolitiker wie etwa der Bundespräsident sich auch um die Opfer der Raubüberfälle bemühen sollten. Nun ergriff Stahls Kollege Wolfgang Heer das Wort und wandte sich an den Richter: "Ich beantrage, dass Sie das unterbinden. Die Vernehmung ist ersichtlich beendet."
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Viele Opfer sind noch heute traumatisiert
Dirk W. hatte nun ohnehin schon gesagt, was er sagen wollte. Es entstand aber der Eindruck, Zschäpes Verteidiger wollten einem Geschädigten das Recht absprechen, seinen Emotionen Luft zu verschaffen. Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten sprang dem Zeugen bei: Er sei ja auch gefragt worden, welche Folgen der Überfall für ihn hatte. Und wenn er ein politisches Defizit bei der Anerkennung der Opfer empfinde, sei das auch in diesem Zusammenhang zu sehen.
Die Raubüberfälle, die den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zugeschrieben werden, waren brutal. Die Täter traten um sich, feuerten mit Pistolen. Viele Opfer sind noch heute traumatisiert. Der Zeuge Dirk W. aus Chemnitz beschrieb den Überfall, den er miterleben musste, so: "Die Männer haben ständig geschrien, meine Kollegin wurde geschlagen, mir wurde die Waffe an die Schläfe gehalten und mir wurde gedroht. Als sie nicht genügend Geld bekommen haben, sind sie ausgerastet, haben einen Bildschirm eingeschlagen, eine Kollegin hat geschrien. Die eine Kollegin, die geschlagen wurde, war schwanger."
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Beate Zschäpe schreibt nun, sie habe sich in ihrer vom Anwalt verlesenen Erklärung ausdrücklich bei allen Opfern der Straftaten, die Böhnhardt und Mundlos begangen hätten, entschuldigt. Diese Entschuldigung umfasse auch die Mitarbeiter und Kunden der betroffenen Sparkassen- und Postfilialen. "Mir tut es leid, was diese Menschen erleben mussten und welche Folgen sie teilweise davongetragen haben - worüber ich mir zur Zeit der Überfälle aus egoistischen Motiven heraus keine Gedanken gemacht habe."
Das Vorgehen der Anwälte sei nicht mit ihr abgesprochen gewesen
Damit setzt Zschäpe auch eine Art Reuezeichen, das ihre bisherige Darstellung ergänzt. Im Dezember hatte sie, als sie sich erstmals zur Sache erklärte, zugegeben, dass sie über die Raubüberfälle ihrer Freunde informiert war und sie diese in Kauf genommen habe, um das Leben im Untergrund zu finanzieren.
Die Intervention ihrer Anwälte bei dem Prozesstag im März sei inakzeptabel. Heer und Stahl hätten sich "unpassend" gegenüber einem Opfer verhalten. Deren "formaljuristische Vorgehensweise" sei weder mit ihr abgesprochen gewesen noch entspreche sie ihrem Verständnis davon, wie man mit dem Opfer eines Raubüberfalls umgehen sollte.
Die beiden, von Zschäpe kritisierten Anwälte wollten zu den Vorwürfen öffentlich nicht Stellung nehmen. In der Vergangenheit war ihr Verhalten im Gericht oft erkennbar davon geleitet, auf die genaue Einhaltung der Regeln eines Strafprozesses zu achten. Im Falle des Zeugen Dirk W. schritten sie auch deshalb ein, weil Richter Götzl den Zeugen eigentlich schon entlassen hatte, als er seine Ausführungen nachschob.
Die Zerrüttung zwischen der Angeklagten im NSU-Prozess und ihren ursprünglichen Pflichtverteidigern besteht seit Langem. In den vergangenen Wochen schienen sich die Beteiligten mit der Situation irgendwie arrangiert zu haben. Zschäpe verlässt sich mittlerweile ganz auf ihren jungen Anwalt Mathias Grasel, den ihr das Gericht im vergangenen Sommer zusätzlich an die Seite setzte. Nun geht der Streit mit ihren anderen Pflichtverteidigern in eine neue Runde.