Es war der größte Anschlag des NSU und nur durch ein Wunder wurde kein Mensch dabei getötet. In der Keupstraße in Köln war am 9. Juni 2004 eine Nagelbombe explodiert. Mehr als 700 rund zehn Zentimeter lange Zimmermannsnägel bohrten sich in Autos, zerstörten Fassaden, durchlöcherten Fenster. Und sie bohrten sich in die Körper von 22 Menschen.
Direkt vor einem Friseurladen hatten die Täter des NSU das Fahrrad mit der Bombe auf dem Gepäckträger abgestellt, eigens gesichert mit einem Aufbockständer, damit es nicht umfiel mit seiner schweren Last. Es war ein schöner, warmer Frühsommertag, viele Menschen schlenderten durch die Keupstraße. Im Friseurladen saßen junge Männer, die sich gerade die Haare scheiden ließen, ein paar standen direkt unter der Tür.
Die Bombe schlitzte ihnen die Haut auf, drang in die Muskeln, Feuer brach aus, sie konnten nichts mehr sehen, blutüberströmt taumelten sie hinaus auf die Straße. Es war ein Bombenanschlag, wie ihn die Republik seit dem Attentat auf das Oktoberfest in München im Jahr 1980 nicht mehr erlebt hatte.
Einem Mann müssen Dutzende Nägel aus dem Körper operiert werden
Nun, fast zwei Jahre nach Beginn des NSU-Prozesses, wird dieser Teil der NSU-Tatserie vor dem Oberlandesgericht München verhandelt. Am Montag begannen Polizisten, ihre Ermittlungsergebnisse vorzutragen. Vom 20. Januar an kommen die Zeugen, die schwer verletzt wurden: deren körperliche Wunden mittlerweile verheilt sind, aber die noch immer leiden unter den psychischen Folgen. Wie jener junge Mann, dem Dutzende Nägel aus dem Körper operiert werden mussten.
An diesem ersten Prozesstag im Jahr betrachtet das Gericht Fotos. Jene Fotos, die unmittelbar nach der Tat von den Spezialisten der Sprengstoffabteilung des Landeskriminalamts gemacht worden waren: Glassplitter, wohin man blickt, zerstörte Reklameschilder, abgerissene Markisen, Autos, in denen Splitter stecken und wie angeklebt herausragen: Es sind Teile der Box, in der die Bombe versteckt war. Und immer wieder die Nägel: Einer im ersten Stock, er ragt aus der Fassade heraus, andere stecken in Autos, liegen auf Vordächern.