Tischtennis-Weltmeisterschaft:Diplomaten im Sportdress

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Die Frauenmannschaften aus Süd- und Nordkorea lehnten es 2018 ab, im Halbfinale der Tischtennis-Weltmeisterschaften in Schweden gegeneinander anzutreten: Kim Song-i (links) aus Nordkorea und Seo Hyo-won aus Südkorea feierten damals diesen Triumph. (Foto: Jonas Ekstromer/AP)

Im Tischtennis kam es immer wieder zu kraftvollen Zeichen der Annährung zwischen verfeindeten Blöcken. Jetzt stehen die Weltmeisterschaften in China vor der Tür, aber eine wichtige Mannschaft bleibt ihnen fern.

Von Thomas Hahn, Tokio

Am Montag trafen die Mannschaften in Chengdu ein. Natürlich mit Flugzeugen, die der Internationale Tischtennis-Verband (ITTF) gechartert hatte. Denn auch wenn dessen Teamweltmeisterschaft in der zentralchinesischen Metropole dieses Jahr das einzige globale Sportevent im Reich der Mitte nach den Olympischen und Paralympischen Winterspielen von Peking ist - wegen der Pandemie gelten weiter die strengen Hygienevorschriften der chinesischen Regierung. Reisen ist demnach ein Sicherheitsrisiko. Die Organisatoren aus der Parteidiktatur fanden es deshalb wahrscheinlich nicht ganz so traurig wie mancher weltoffene Fan, dass wieder jemand fehlte bei der Ankunft der Teams.

Von Nordkorea hört man seit Beginn der Pandemie nicht viel mehr als Propaganda und Raketenabschüsse. Das Regime von Machthaber Kim Jong-un hat sich konsequent gegen das Coronavirus abgeschottet, fast niemand darf rein oder raus. Die WM in Chengdu erschien da zunächst wie die seltene Chance, mal wieder leibhaftige Menschen aus dem Kim-Kosmos zu erleben. Denn Tischtennis kann und mag man in Nordkorea. Und auf einer frühen Startliste war Nordkoreas starkes Frauenteam tatsächlich notiert. Internationale Beobachter merkten auf. Aber auf dem letzten Meldebogen stand die Mannschaft dann doch wieder nicht drauf. Ernüchterung.

Es können kraftvolle Zeichen vom Sport ausgehen. Und in Asien hat sich besonders Tischtennis als Kommunikationsplattform bewährt. Das Spiel kam Anfang des 20. Jahrhunderts aus England dorthin und setzte sich vor allem im kommunistischen China als Zeitvertreib der Massen und Ausdruck postrevolutionärer Stärke durch. Für Mao Zedong war Tischtennis eine "spirituelle Atomwaffe", weil seine Spieler einen Sieg nach dem anderen feierten. In den Siebzigerjahren gelang mit Tischtennis die Annäherung zwischen den USA und Maos China. Angefangen hatte diese sogenannte Pingpong-Diplomatie damit, dass bei der WM 1971 in Nagoya der amerikanische Teilnehmer Glenn Cowan aus Versehen in den chinesischen Mannschaftsbus einstieg und der Weltklassespieler Zhuang Zedong ihn freundlich begrüßte.

Auch Nordkoreas Tischtennis-Team hatte schon einen großen versöhnenden Moment: WM 2018 in Halmstad, Viertelfinale des Frauenturniers. Die Nordkoreanerinnen sollten gegen die Südkoreanerinnen spielen. Aber das machten sie nicht, sondern schlossen sich zusammen. Die Verbandsstatuten waren auf so eine Geste nicht vorbereitet. Aber natürlich durfte das vereinte Korea im Halbfinale gegen Japan antreten und wurde später mit der Bronzemedaille geehrt.

Gar nicht so lange her. Damals hatte Südkoreas liberaler Präsident Moon Jae-in gerade eine Phase der Annäherung mit Kim Jong-un eingeleitet. Im Februar davor bei Olympia in Pyeongchang waren die beiden Koreas teilweise auch gemeinsam angetreten. Aber letztlich klappte die Annäherung nicht. Moon ist nicht mehr Präsident. Kim lässt ständig Testraketen fliegen. Der kalte Krieg ist zurück.

Die Pandemie hat alles noch schlimmer gemacht. Unter anderem weil das Regime seine Sportlerinnen und Sportler nicht mehr rauslässt. Auch bei der WM in Chengdu, die am Freitag beginnt, muss man einsehen: Selbst Tischtennis ist nicht stärker als der Sturkopf eines Diktators.

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