Nordkorea verstärkt Ressentiments:"Ekelhaftes Gesindel"

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Besucher der Grenze, südkoreanische Seite, hängen bunte Bänder an den Zaun. (Foto: Lee Jin-man/AP)

Pjöngjang verurteilt die Propagandaaktion von Aktivisten an der Grenze - und kappt die Leitungen nach Südkorea. Ein schwerer Rückschlag für die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Leitungen zwischen Nordkorea und Südkorea sind jetzt tot. Am Dienstag erklärte das südkoreanische Vereinigungs-Ministerium in Seoul, dass es den ganzen Tag vergeblich versucht habe, die nordkoreanische Seite zu erreichen. Das kommunistische Regime hat demnach seine Ankündigung wahr gemacht, den Kontakt mit dem Süden einzustellen, weil die Regierung dort Aktivisten nicht davon abhalte, Ballons mit regimekritischen Texten an der Grenze steigen zu lassen.

"Das ekelhafte Gesindel", meldete Nordkoreas zentrale Nachrichtenagentur KCNA, habe "feindliche Handlungen gegen Nordkorea begangen, indem es die unverantwortliche Haltung der südkoreanischen Behörden ausgenutzt hat". Deshalb würden die Hotlines gekappt, man werde damit "unnötiges Zeug" los. Das Ministerium in Seoul konnte nur noch ohnmächtig kundtun, die Leitungen seien eigentlich "von grundlegender Bedeutung und sollten gemäß den zwischenkoreanischen Vereinbarungen aufrechterhalten werden".

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Nordkorea verwundbar und angeschlagen wirkte: Die Pandemie drohte das marode Gesundheitssystem zu überfordern. Dazu kamen Gerüchte um das Befinden von Staatschef Kim Jong-un, weil dieser wochenlang nicht zu sehen war. Jetzt hat Pjöngjang einen Konflikt eskalieren lassen, der sich vergangenen Donnerstag schon anbahnte, als Kim Yo-jong, Kims Schwester und Propaganda-Beauftragte, darüber schimpfte, dass der Süden der Aktivisten nicht Herr werde. Die Beziehung der beiden Koreas ist damit wieder so schlecht wie vor den ergiebigen Gesprächen zwischen Kim und Südkoreas Präsident Moon Jae-in 2018.

Warum tut Nordkorea das? Der Norden fürchtet Informationen von außen, weil diese die Staatspropaganda schwächen könnten. 2018 ließ Nordkorea deshalb festschreiben, dass der Süden Ballons mit Flugblättern nicht zulassen darf. Aber die Aktivisten kümmert das nicht. Diesen Umstand scheint Nordkoreas Regierung zu nutzen, um die Menschen in anhaltender Not hinter dem Feindbild Südkorea zu versammeln. Laut NK News startete sie eine Propaganda-Kampagne gegen Südkoreas Umgang mit Überläufern. Und nach außen macht es Druck. Dass die Moon-Regierung die Aktivisten schon vergangene Woche mit Nachdruck aufforderte, keine Ballons mehr steigen zu lassen, stimmte Pjöngjang nicht gnädig.

Auffällig ist, dass in der Angelegenheit vor allem Kim Yo-jong spricht. Ihre Ansagen vom Donnerstag waren hart. "Menschlichen Abschaum" und "Mischlingshunde" nannte sie die Überläufer, die hinter den Ballonaktionen stecken. Sie warnte den Süden, Nordkorea werde aus gemeinsamen Projekten, dem Verbindungs-Büro und den Versöhnungsabkommen aussteigen. Die Entscheidung, die Kommunikation zu beenden, fiel laut KCNA am Montag bei einem Treffen von Kim Jong-un, Kim Yo-jong und Kim Yong-chol, dem Vize-Vorsitzenden des Zentralkomitees der Arbeiterpartei. Gibt es neuerdings mehr Arbeitsteilung in Nordkoreas Spitze? Freundlicher wird das Regime jedenfalls nicht. Zum Telefonboykott teilte Pjöngjang mit: "Diese Maßnahme ist nur der erste Schritt."

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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